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An Reisen war in diesem Jahr nur eingeschränkt zu denken, aber immerhin habe ich es bis jetzt dreimal in die Hauptstadt geschafft. Über die sich stetig wandelnde Bierszene der Stadt habe ich ja schon in mehreren Posts berichtet, im Moment verändert sich jedoch einiges, und trotz Corona viel zum Guten.

Beer & Street Food Day 2020, Berlin

Das erste Festival des Jahres

Der Besuch von Bierfestivals in ganz Europa gehört für mich zum normalen Jahresablauf dazu, aber was ist im Moment schon normal. Nahezu alle Festivals wurden abgesagt, manche finden mittlerweile in kleinen und oftmals sehr kreativen Formaten statt, wie es gerade zum Beispiel das Lingener Bierkarussell vorgemacht hat. Auch die Berlin Beer Week musste abgesagt werden, im letzten Jahr bin ich zur Eröffnung noch mit vielen Gleichgesinnten und tollen Bieren die Spree entlanggeschippert.

Als Lebenszeichen wurden von den Machern der Beer Week am ersten Septemberwochenende nun die kleinen aber feinen Beer & Street Food Days ausgerichtet. An drei Tagen wurden auf dem Gelände der Kulturbrauerei an vier Ständen Biere ausgeschenkt und an Foodtrucks abwechslungsreiches Essen serviert. Ein Stand war US-Bieren, angeführt von Sierra Nevada, vorbehalten, ein zweiter Stand wurde von Brewdog bespielt, Nummer drei war Bieren aus Berlin gewidmet und am vierten Stand, den ich favorisierte, gab es eine spannende Mischung aus Stouts, Sours, Met und sonstigen Spezialitäten.

Das Gelände war für eine Veranstaltung dieser Art in diesen besonderen Zeiten gut geeignet. Es war weitläufig genug, um ausreichend Abstand der Tische zu ermöglichen, es war unter freiem Himmel und der Andrang hielt sich meist in gesundem Rahmen. Es war eine wirklich gelungene Veranstaltung und es tat sehr gut, mal wieder mit alten und neuen Bekannten entspannt über Bier und andere Dinge zu diskutieren.

Vagabund Kesselhaus

Das Vagabund Kesselhaus

Irgendwie hatte es mich nie so recht zu Vagabund gezogen. Etwas abgelegen im Wedding gelegen, war es mir irgendwie immer etwas zu weit, da ich ja meistens in Friedrichshain residiere. Als ich aber las, dass dort erst vor wenigen Tagen mit dem Vagabund Kesselhaus ein kleiner Biergarten eröffnet wurde, nahm ich die Weg doch auf mich und wurde nicht enttäuscht. Gelegen in einem großen Betriebshof und somit abgeschieden von dem Verkehr und Lärm der Großstadt wirkt es angenehm rustikal mit sehr nettem Service und guten Bieren, vier davon vom Hahn. Absolute Empfehlung!

Vagabund Kesselhaus, Oudenarder Str 16

Schneeeules Salon für Berliner Bierkultur

Und wenn man schon einmal im Wedding ist, kann, nein muss man auch noch in der neuesten Location vorbeischauen, deren Eröffnung ich schon lange herbei fiebere. Natürlich wurde der Salon für Berliner Bierkultur am Tag meiner Abreise eröffnet, aber ich hatte das Glück, dass man mir schon zwei Tage vor der Eröffnung einen Einblick gewährte.

Die Schneeeule-Macher Ulrike Genz und ihr Mann Andreas haben die Coronazeit genutzt, das Projekt Schneeeule auf ein neues Level zu heben. Sichtbares Zeichen hierfür ist der eigene Taproom in der Ofener Straße, den man am besten mit „klein aber fein“ beschreiben kann. Es gibt vier Biere vom Fass, darunter zwei Schneeeule, viele eigene Biere samt Raritäten aus der Flasche und ein Kühlschrank, der den anderen Berliner Brauereien vorbehalten ist. Für jeden, der sich für die originale Berliner Weiße interessiert, ist der Salon ein absoluter Pflichtbesuch, hier werde ich sicher häufiger anzutreffen sein.

Schneeeule Salon für Berliner Bierkultur, Ofener Straße 1

Schneeeule Salon für Berliner Bierkultur
Foto: Schneeeule Salon für Berliner Bierkultur

Zweites Standbein für das Protokoll

Hatte ich erwähnt, dass ich die Schneeeule Eröffnung knapp verpasst hatte? Dasselbe passierte mir mit einem zweiten Lieblingsprojekt. Wer mich kennt weiß, wie gerne ich das Protokoll und seine Macher in der Boxhagener Straße habe. Besitzer Vadim Kamkalov hat nun mit dem Manifest Taproom ein zweites Standbein eröffnet, dessen Standort Craftbierfreunden nicht unbekannt sein dürfte. Nicht alle Bars haben die Coronazeit unbeschadet überstanden, und so hat Stone Brewing nach dem Ende der Brauerei in Marienfelde nun auch die Bar im Prenzlauer Berg geschlossen. Hier eröffnete Vadim nun sein neues Projekt mit mehr als 20 Taps. Das offizielle Opening findet am 19. September statt.

Manifest Taproom, Oderberger Straße 15

Eigenes Bier für den Salami Social Club

Ich bin ja schon lange Fan der Pizzen vom Salami Social Club. Geschmacklich top, immer etwas chaotisch und mit guter Bierauswahl, das macht immer großen Spaß. Wobei mir die Spicy Salami diesmal sogar etwas zu spicy war. Trotzdem geil, mein Probiertip bleibt aber auf jeden Fall die Variante mit Blutwurst.

Neben den wechselnden Bieren gibt es nun ein ganz eigenes, das Social Club, gebraut im Umfeld des ehemaligen Beereau von Brauer Trevor Ketterhagen und Hendrik Sell unter dem Namen Prisma Brewing. Es ist ist ein rundes West Coast IPA, heutzutage inmitten des Hayzhypes geradezu eine Rarität. Keine klassische Harzbombe, nicht übertrieben bitter, sondern ein richtig solider Pizzabegleiter, der auch aus dem Plastikbecher vor dem Laden ausgezeichnet schmeckt.

Bierothek Berlin-Charlottenburg

Beim Spitzensommelier in der Bierothek Charlottenburg

Ganz neu ist der Standort der Bierothek in Charlottenburg nicht, doch seit kurzer Zeit hat sie einen neuen Storemanager, der in der Szene wahrlich kein Unbekannter ist. Biersommelier Marco Liebig, der sogar schon an der Weltmeisterschaft der Biersommeliers teilgenommen hat, leitet seit einigen Wochen den im typischen Bierothek-Design gestalteten Laden, in dem man die Biere auch vor Ort trinken kann. Neben dem bekannten Sortiment der Bierothek legt Marco viel Wert auf lokale Biere und eigene Entdeckungen, wodurch sich eine spannende Mischung ergibt, die sowohl Anfänger wie auch Nerds zufriedenstellen wird. Die Beratung vom Sommelier gibt es inklusive.

Bierothek Belin-Charlottenburg, Leibnizstraße 59

Brewdog Berlin - Live fast drink slowEin Brewdog Beben am Horizont

Kaum hatte ich die Stadt verlassen, schlug eine kleine Bombe ein, die sich allerdings schon im Buschfunk angekündigt hatte. Brewdog will das Netz an Bars besonders in zwei zentralen Regionen deutlich erweitern und in Berlin und im Großraum Frankfurt innerhalb der nächsten drei Jahre zehn(!) neue Bars eröffnen. Die erste wird schon Anfang 2021 in Wiesbaden ihre Türen öffnen. Logistisch scheint dies ein logischer Schritt zu sein, hat man doch mit dem Erwerb der ehemaligen Stone-Brauerei große Kapazitäten, die bei Vollauslastung der Brauerei erst einmal getrunken werden müssen. Und wo geht das besser, als in den eigenen Bars?

Mittelfristig erwarte ich mir ein Bild wie in London, wo es in der direkten Umgebung vieler zentraler U-Bahnstationen Brewdog-Bars gibt. Ich würde hier mal das Frankfurter Tor in Friedrichshain in die Verlosung bringen, das Castle Friedrichshain, früher mit dem Braukunstkeller assoziiert, ist nun schon einige Zeit „wegen Renovierung“ geschlossen und würde sich sicherlich architektonisch gut eignen…

Was dies für die Bierszene in Berlin bedeutet, lässt sich noch nicht abschätzen. Ich persönlich halte die Community aber für stark genug, dass man die Individualität und Vielfalt bewahren kann und hoffentlich niemand auf der Strecke bleibt. Man darf gespannt sein, was noch alles passieren wird.

Die bisherigen Artikel:

Teil 1: Zu Besuch in der Bierhauptstadt (April 2015)
Teil 2: Die Stadt der Craft Beer Tempel (Februar 2018)
Teil 3: Die Stadt der Craft Beer Tempel (Teil 3) (April 2018)

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