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Nach dem letzten Auftritt von Chilly Gonzales in der Philharmonie in Luxemburg war klar, dass wir uns diesmal wieder einen Platz in der ersten Reihe sichern mussten. Und trotz eines etwas aufregenden Vorverkaufs gelang uns das Kunststück, denn Konzerte des kanadischen Pianisten sind intensive, aufregende Parforceritte durch die Musikgeschichte, bei denen es lohnt, den Künstlern direkt auf die Finger und ins Gesicht schauen zu können.

Chilly Gonzales, Stella Le Page, Joe Flory, Philharmonie Luxembourg, 3.März 2019

Seine Solo Piano III Tour bestreitet Chilly Gonzales diesmal nicht mit dem Kaiser Quartett wie noch 2015, Unterstützung bekommt er von Stella Le Page am Cello und Joe Flory am Schlagzeug. Zu Beginn betritt er die Bühne der Philharmonie aber allein, gewandet in einen Camouflage-Hausmantel und seinen legendären Pantoffeln. Die ersten drei Lieder umfassen Werke aus den mittlerweile drei Solo Piano Alben, Kommunikation mit dem Publikum gibt es (noch) nicht.

Denn bei aller Kunstfertigkeit sind Auftritte von Chilly Gonzales auch große Unterhaltung. Sprachlich wechselt er ebenso virtuos wie am Klavier nahtlos zwischen Deutsch, Französisch und Englisch. Seine musikerzieherische Mission ist diesmal etwas zurückgefahren. Zu Beginn doziert er am Beispiel seines Songs Be Natural über einen während eines Sabbaticals neu entwickelten Mut zur Disharmonie. Später schafft er es anhand von wenigen Noten die Brücke von Bach über Nirvana zu Britney Spears zu schlagen.

Noten auf Papier sucht man an diesem Abend vergeblich, das musikalische Genie Chilly Gonzales verlässt sich auf sich selbst und seine Inspiration, lediglich er hat eine Playlist neben dem Flügel liegen. Stella Le Page und Joe Flory suchen permanent den Blickkontakt zum Meister, um ihre Einsätze nicht zu verpassen. Was natürlich kein einziges Mal passierte, die drei sind nach einigen Konzerten auf der Tour perfekt aufeinander eingespielt.

Musikalisch gibt es wohl kaum abwechslungsreichere Abende. Von den filigran vorgetragenen Solo Piano Stücken geht es über eine kleine Rap-Einlage zu fast schon poppigen Meisterwerken wie The Grudge. Die Zeit vergeht wie im Fluge und ich bin leicht irritiert, als das Trio zum ersten Mal die Bühne verlässt.

Doch das konnte nicht alles gewesen sein und so betraten Flory und Le Page den Oberrang mit Trompete und Harmonium, bevor sich Gonzales mit fast schon diabolischem Habitus an der riesigen Orgel der Philharmonie zu schaffen machte, Thriller-Reminiszenz inklusive. Aus dem Publikum kam (wenig überraschend) noch der Wunsch nach Knight Moves, bevor es mit glücklichen Gesichtern wieder in den Regen der Hauptstadt entlassen wurde.

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