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Palermo ist eine krasse Stadt. Kaputtgewohnt bis zur Ruinenhaftigkeit, vollgestopft mit unfassbaren Kunstschätzen und voller Leben. Da wir zumindest dem berüchtigten Verkehrschaos entgehen wollten, entschieden wir uns mit dem Zug anzureisen und erlebten einen Tag voller Aufs und Abs.

Palermo Street

Die Stadt ist ein historisches Gesamtkunstwerk, in dem sich die Kulturen mischen und schon immer gemischt haben. Gegründet von den Phöniziern im 8. Jahrhundert vor Christus drückt sich dies in unzähligen Sehenswürdigkeiten aus, die für einen an Geschichte interessierten Besucher eine wahre Fundgrube darstellen. So waren es vor allem die Sakralbauten, die unsere Liste bestimmten, was aber noch zu unliebsamen Überraschungen führen sollte.

Santa Maria dell’Ammiraglio & San Cataldo

Vom Bahnhof aus hält man sich erst einmal etwas links und geht die langgezogene Via Maqueda entlang. Nach wenigen hundert Metern erreicht man so an der Piazza Bellini zwei extrem gegensätzliche Kirchen, die direkt nebeneinandergelegen für erstaunte Verwirrung sorgen. Santa Maria dell’Ammiraglio wurde 1143 von Georg von Antiochien, Heerführer und Hofbeamter König Rogers II., gestiftet und mehrfach umgestaltet. Betritt man das Gotteshaus, erschlägt einen die Wucht der prachtvollen Mosaike förmlich, und man erkennt direkt den byzantinischen Einfluss.

Santa Maria dell’Ammiraglio

San Cataldo, nur wenige Schritte entfernt, wurde von Maio von Bari gestiftet, Georgs Nachfolger, Vizekanzler und Kanzler unter Roger II. und Großadmiral Wilhelms I. Der Unterschied zur Nachbarkirche könnte größer nicht sein. Der Innenraum ist weitgehend schmucklos und man spürt eine andächtige Ruhe. Von außen bieten lediglich die seit dem 19. Jahrhundert rot eingefärbten arabischen Kuppeln farbliche Abwechslung im ansonsten kargen Mauerwerk.

San Cataldo

Mit dem Kauf eines Tickets für eine der Kirchen bekommt man in anderen Gotteshäusern Rabatte, wobei die Eintrittsgelder in den Kirchen, da wo sie erhoben werden, absolut moderat sind.

Fontana Pretoria & San Giuseppe dei Teatini

Von der Piazza Bellini sind es nur wenige Schritte zur Piazza Pretoria, die von einem berühmten Brunnen dominiert wird. Die im 16. Jahrhundert errichtete Fontana Pretoriaerhitzte lange die Gemüter im katholischen Italien, werden dort doch unbekleidete Nymphen und Götter in entspannter Pose dargestellt. Heute stören vor allem spärlich bekleidete Touristen, die auf dem Brunnen herumklettern den Eindruck. Direkt gegenüber befindet sich mit der Basilika San Giuseppe dei Teatini eine eindrucksvolle Barockkirche. In kleinem Umkreis hat man somit drei bedeutende Kirchen, die völlig unterschiedliche Stile verkörpern. Zwischen 1612 und 1645 errichtet ergibt sich eine schöne Farben- und Formenvielfalt. Tritt man aus dem hinteren Ausgang der Kirche hinaus, landet man direkt an der berühmten Quattro Canti Straßenkreuzung, deren Sehenswürdigkeit sich mir trotz der zweifellos schönen Gebäude nicht so recht erschloss.

Fontana Pretoria

Chiesa del Gesù & Ballarò Markt

Und weiter ging es mit den Barockkirchen Palermos. Die von Jesuiten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründete Kirche liegt bereits mitten im Gewirr der Altstadtgassen und bietet nach der eher schlichten Fassade ein prachtvolles Innenleben. Auf dem Weg begegnete uns auf der Piazza Bologni noch das vom Künstler Gianfranco Meggiato Kunstwerk La spirale della vita, das mit einer Spirale aus Sandsäcken an die Opfer der Mafia erinnert.

Ballarò Markt

Der berühmte Ballarò Markt ist ein Gewimmel von Ständen in verschiedenen Straßen des Viertels. Die Menschen quetschen sich durch die teils engen Durchgänge, und so richtig entspannt fand ich das nicht. Wer aber auf der Suche nach typisch südländischer Atmosphäre und einigen sehr günstigen, regionalen Leckereien ist, ist hier auf jeden Fall richtig.

Villa Bonanno und Kathedrale

Nach dem ganzen Trubel gönnten wir uns erst einmal eine kleine Verschnaufpause im 1905 angelegten Palmengarten Villa Bonnano. Immerhin stand ja der Besuch der weltberühmten Kathedrale auf dem Programm, für den wir sicher alle Kräfte gut gebrauchen konnten. Als Mittelalterbegeisterte war der Besuch dieser Kirche für uns ein absolutes Highlight der Reise, liegt hier doch unter anderem der Stauferkaiser Friedrich II. begraben. Auf dem Platz vor der Kathedrale war dann auch einiges los, was allerdings an den Schülern der nahe gelegenen Schule lag. An einem Seitenflügel der Kirche bildete sich eine kleine Schlange, wir wollten aber zum Haupteingang, wo überraschend wenig Menschen versammelt waren.

Kathedrale

Und das hatte einen Grund, der uns die Laune erst einmal ziemlich verhagelte. Papst Franziskus hatte nämlich zwei Tage später sein Kommen angekündigt, und aus diesem Grund war die Kirche mit Ausnahme der Galerie außen gesperrt. Da wir uns dann aber bereits im Süden aufhalten würden, war der Traum vom Staufergrab mit einem Mal geplatzt. Schlechtgelaunt sparten wir uns nun auch die Galerie und aßen auf den Frust erst einmal Arranci, immerhin mit schönem Blick auf die Kathedrale.

Palazzo dei Normanni mit der Cappella Palatina

Aber Palermo spart nicht an hochrangigen Sehenswürdigkeiten, und so steuerten wir nach dem Snack den Normannenpalast mit der zurecht weltberühmten Cappella Palatina an. Der Palazzo dei Normanni wurde in seinen Grundzügen bereits im 9. Jahrhundert angelegt, erhielt aber nach der Eroberung Siziliens durch die Normannen und der Erhebung Rogers II. zum König Siziliens 1130 einen entscheidenden Ausbau. Hier residierten die normannischen Könige und die Pracht lässt einen tief in diese Zeit eintauchen. Seit 1947 ist der Palast auch Sitz des sizilianischen Parlaments, weshalb nicht immer alle Teile des Gebäudes zu besichtigen sind.

Sizilien 2018 - Palermo - Cappella Palatina

Cappella Palatina

Die Palastkapelle Cappella Palatina wurde zwischen 1130 und 1140 erbaut, man erreicht sie über eine Treppe im sehenswerten Innenhof der Anlage. Mit dem Betreten der Kapelle stellt sich gleich ein erhabendes Gefühl ein. Der auf engstem Raum opulent ausgestattete Bau ist schlichtweg atemberaubend. Die Verschmelzung von Elementen aus dem westlichen und östlichen Christentum mit arabischen Einflüssen ist perfekt umgesetzt und wird so zum künstlerisch-sakralen Ausdruck der multikulturell geprägten Gesellschaft Siziliens.

Unterhalb von Jesus Pantokrator in der Kuppel erzählen unzählige kunstvoll gestaltete Mosaiken zentrale Geschichten aus der Bibel. Man kann die Szenen wie in einem Comicstrip lesen. Die Kapelle ist recht dunkel, wodurch das Gold um so stärker zum Strahlen gebracht wird. Eine Pracht, die vom Mittelalter bis heute wohl niemanden kalt lässt.

Die gruselige Kapuzinergruft

Die wohl merkwürdigste Sehenswürdigkeit Palermos stellt die Kapuzinergruft dar, in der unter dem Kapuzinerkloster hunderte mumifizierte Körper ausgestellt werden. Mumien aus 400 Jahren beherbergt dieser Ort, die älteste aus dem Jahr 1599. „Highlight“ der bizarren Sammlung ist der Leichnam der erst knapp zweijährigen Rosalia Lombardo, die am 6. Dezember 1920 verstarb und deren Leichnam nahezu unversehrt ist. Ich muss zugeben, dass der Gang durch die düsteren, von Leichen flankierten Gänge eine gewisse morbide Faszination ausübt, aber ob man dem Andenken der Menschen gerecht wird, wenn man jeden Tag Tausende Touristen an ihnen vorbeischleust, mag ich vorsichtig bezweifeln. Fotografieren und Filmen ist aus Pietätsgründen streng untersagt (was ich auch völlig in Ordnung finde), Postkarten mit den Mumien als Motiv kann man dann aber doch kaufen. Alles sehr komisch, irgendwie gruselig, und ich weiß nicht, ob ich den Besuch wirklich empfehlen kann.

Sizilien 2018 - Palermo - Castello della Zisa

Castello della Zisa

Castello della Zisa

Der letzte Stopp auf unserem Touriprogramm war das Castello della Zisa. Die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtete Sommerresidenz der Normannenkönige galt einst als architektonisches Glanzstück, heute kann man die einstige Pracht allerdings nur noch erahnen. Wir hatten zuerst etwas Schwierigkeiten vom Park aus den Eingang an der Seite zu finden, am späten Nachmittag waren wir auch fast die einzigen Besucher.

Der Palast erstreckt sich über drei Stockwerke, im Inneren finden sich einige Tafeln mit Erläuterungen, allerdings nur in italienischer Sprache. In den einzelnen Räumen gibt es jeweils ein paar Ausstellungsstücke, viel zu Sehen gibt es somit nicht. Somit ließen wir das Gemäuer an sich auf uns wirken, das tatsächlich ein paar sehenswerte Stellen aufzuweisen hat. Der große Empfangssaal ist mit einem sanft vor sich hinplätschernden Paradiesbrunnen ausgestattet.

Sizilien 2018 - Palermo - Castello della Zisa

Castello della Zisa

Das Wasser floss ursprünglich in die großzügige Parkanlage, die heute aber einen ausgesprochen traurigen Eindruck hinterlässt. Unter den zahlreichen historischen Bauwerken der Stadt war dies sicherlich die, auf die man am ehesten verzichten kann.

Culinaria

Unsere Zeitplanung war noch nicht so ganz auf sizilianische Verhältnisse geeicht, wir hatten uns einen Zug ausgeguckt, der für ein ausführliches Dinner schlicht zu früh zurückfuhr. So verzichtete ich auch schweren Herzens auf einen Besuch der Ballarak Bar, dem bierologischen Hotspot der Stadt, der aber noch geschlossen hatte, als wir vor der Tür standen. Unterwegs hatten wir uns mit ein paar Snacks versorgt und beendeten den Besuch mit einem Drink in der Ai Giudici Bar, wo man uns sogar noch einen Arrancino spendierte.

Kulinarisches Highlight des Kurzbesuchs war allerdings die Pasticceria Cappello. Das geradezu winzige, im Jahr 1944 gegründete Traditionsgeschäft in der Via Colonna Rotta 68 (es gibt eine weitere Filliale in der Via Nicolò Garzilli 19) war vollgepackt mit Leckereien und die Mitarbeiter bedienten die Gäste in atemberaubender Geschwindigkeit. Ich gönnte mir ein Limoneneis und die Maid Pistazieneis im Brioche-Brötchen. Großartig!

Fazit

Palermo ist eine Stadt, die man an einem Tag nicht einmal an der Oberfläche erfassen kann. Die Sehenswürdigkeiten sind für kulturinteressierte Besucher atemberaubend, die Stadt pulsiert bis zur Schmerzgrenze, hat Ecken und Kanten, an denen man sich auch mal stoßen kann. Pracht und Schönheit und Zerfall und Dreck sind oft nur wenige Meter voneinander entfernt. Palermo ist ein Ereignis, das einen nach der ersten Begegnung mit sovielen Eindrücken zurücklässt, die man erst einmal verarbeiten muss. Eins ist aber klar: Hier muss ich nicht nur wegen des ausgefallenen Besuchs in der Kathedrale noch einmal hin!

Ein paar Bilder

(Galerie liegt bei Flickr, daher anderes Layout)

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