25 Jahre gibt es Tocotronic mittlerweile, eine Band, die mich schon sehr lange begleitet, ohne dass ich mich ernsthaft mit der Musik auseinandergesetzt habe. Sie waren einfach da – und gut. Gut sind sie immer noch, was ich in den letzten Jahren immer mehr zu schätzen lernte, und so war es mehr als überfällig, dass ich mir das ganze einmal live zu Gemüte führen würde. In die Kammgarn nach Kaiserslautern fahre ich immer sehr gerne, denn die Halle hat eine schöne Atmosphäre, auch wenn es immer ziemlich warm ist.
Einen kleinen Wermutstropfen gab es gleich zu Beginn, denn ich hatte festgestellt, dass der Mexikaner direkt neben der Halle mittlerweile seine Pforten für immer geschlossen hat. Somit gönnten wir uns statt Fajitas, Tacos und Enchiladas eine Pizza, nachdem wir die Fahrt durch den garstigen Herbstregen überstanden hatten. Das Konzert war erstaunlicherweise nicht ausverkauft, weshalb vermutlich auch die Halle einen Tick verkleinert worden war. So sah es trotzdem gut gefüllt aus, und es war ohne Gedränge immer noch sehr gemütlich. Eine Vorgruppe gab es nicht, Tocotronic kamen pünktlich kurz nach 20 Uhr auf die Bühne und spielten fast zwei Stunden lang ein mitreißendes Set.
Das Quartett befindet sich auf der gleichnamigen Tour zum aktuellen Album Die Unendlichkeit, wobei angesichts des 25-jährigen Jubiläums eine knackige Best-of-Show geboten wurde, in der das neue Werk nur eine kleine Rolle zugewiesen bekam. Mit dem Titeltrack sowie Electric Guitar stieg man gleich zu Beginn zwar direkt dort ein, doch danach eröffneten Let There Be Rock und Drüben auf dem Hügel einen durch einen Jungbrunnen gezogenen Nostalgieabend, der mich absolut begeisterte. Die Band um Sänger Dirk von Lowtzow war bestens gelaunt, und es gab den ein oder anderen sehr unterhaltsamen Plausch zwischen den Songs. Überhaupt hat mir die feine Selbstironie sehr gut gefallen, die auf den oft sehr ernsten und reflektierten Alben bzw. Stücken nicht immer ganz offensichtlich ist.
Nach elf Alben in wie gesagt 25 Jahren hat man die freie Auswahl für eine abwechslungsreiche Setlist, die kaum Wünsche offengelassen haben dürfte. So gab es neben Dauerbrennern wie Aber hier leben, nein danke oder This Boy Is Tocotronic einige selten gespielte Perlen wie Die Grenzen des guten Geschmacks 2 oder Letztes Jahr im Sommer zu hören. Sehr schön fand ich die von Dirk allein vorgetragene Version von Unwiederbringlich, die geradezu brutal mit dem fröhlich vor sich hingroovenden Zucker kontrastiert wurde. Persönliche Highlights waren Mein Ruin, für mich bis heute mein Tocotronic-Lieblingssong, bei dem Musik und Text so wunderbar Hand in Hand gehen, sowie das in Lärm und Stroboskopgewitter ausartende Explosion.
Auch die Band schien durchaus Spaß zu haben und ließ sich bei den Zugaben nicht lange bitten. Und wieder einmal reifte in mir die Erkenntnis, dass ich mir bei vielen tollen Bands viel zu viel Zeit lasse, bis ich dann doch einmal auf ein Konzert gehe. Ähnliches werde ich hoffentlich heute Abend nach dem Konzert der Einstürzenden Neubauten sagen.