Am schönen See im saarländischen Losheim habe ich schon einige Festivals gesehen. Seit dem Umzug vom Bostalsee findet hier um den 1. Mai herum das Hexentanz Festival statt, und seit letztem Jahr gibt es mit dem Rockaway Beach Open Air nun auch ein Punk Rock Tagesfestival. Schon die Premiere hatte mir ausgezeichnet gefallen, und in diesem Jahr schalteten die Veranstalter noch einen Gang hoch. Auf zwei Bühnen gaben sich die Hochkaräter die Klinke in die Hand; Kettcar, The Baboon Show, Adam Angst und viele andere sorgten für viel musikalische Abwechslung und ein begeistertes Publikum.
Wenn man viel auf Reisen ist, werden die Urlaubstage dann doch etwas knapp. Von daher ist ein Festival an einem Freitag natürlich ein Problem. Doch ich machte mich etwas früher auf die Socken und schaffte es tatsächlich, drei Minuten vor dem Auftritt von Lygo mit einem Bier in der Hand vor der Bühne zu stehen. Leider verpasste ich so Die Schande von und Matches, aber der Tag bot ja noch Highlights ohne Pause.
Auf Lygo hatte ich mich sehr gefreut, die Bonner hatte ich ja schon ein paarmal gesehen und diesmal gab es auch schon Material der kommenden Platte zu hören. So ganz war ich noch nicht angekommen, ich brauchte etwas, bis mich Lygo dann doch packten. Aber Spaß macht das auf jeden Fall und ich hoffe ich schaffe es zum Konzert im Exhaus am 20. Oktober.
Direkt nach dem Auftritt ging es zur kleinen Bühne, wo nahtlos Fortuna Ehrenfeld ihre Show starteten. Ein Freund hatte mich intensiv gebrieft, dass ich mir das keinesfalls entgehen lassen sollte, und noch am Morgen habe ich mir die aktuelle Platte Hey Sexy einmal angehört und war ziemlich begeistert. „Popmusik für Erwachsene“ nennt Grand Hotel van Cleef das ganze, und vor allem die Texte von Martin Bechler haben mich wirklich beeindruckt. Dass das auch live bestens funktioniert zeigte sich recht schnell, und die halbe Stunde verging wie im Flug. Verstärkt mit Keyboard und Drums spielte sich Mastermind Bechler durch ein abwechslungsreiches Set und leerte dabei entspannt eine Flasche Rotwein. Tolle Songs wie Der Puff von Barcelona oder Hundeherz begeisterten die schon ziemlich zahlreich erschienenen Zuhörer, das muss ich mir irgendwann noch einmal bei einem Clubkonzert anhören. Das war früh einer der Höhepunkte des Festivals.
Weiter ging es auf der Hauptbühne mit Gurr, die ich vor einiger Zeit schon einmal auf der Exhaus Sommerbühne im Vorprogramm von Love A gesehen habe. Auch wenn sie nach eigener Aussage gar nicht so recht auf ein Punkfestival passen würden, gefällt mir der eigentümliche Garage-Indie-Kram der beiden Damen mit ihren Gitarren, live verstärkt von Bass und Schlagwerk, richtig gut. Man ist mit viel Begeisterung bei der Sache, hat offenkundig Spaß an der eigenen Musik und dazu noch ein paar wirklich gute und eingängige Songs im Gepäck. Kann man auf jeden Fall gucken und vor allem hören.
Das Konzept mit den beiden Bühnen finde ich insgesamt prima, es wird aber zu einem Problem, wenn man nur Bands einlädt, die ich toll finde! Somit mussten leider Belgrad dran glauben, denn der Hunger machte sich bemerkbar und ich nutzte den Auftritt, mich mit neuer Energie zu versorgen. Was ich hörte, klang sehr gut, vielleicht ergibt sich ja einmal die Gelegenheit für eine ausführliche Kostprobe.
Auf der Hauptbühne schlossen sich Fjørt an, die ich tatsächlich noch nie live gesehen habe, obwohl sich die Aachener in den vergangenen Jahren einen Wolf getourt haben. Ich habe mich immer gefragt, wie der kompakte Sound der Platten auf der Bühne funktioniert, und wurde nicht enttäuscht. Insgesamt die wahrscheinlich härteste Band des Festivals, wurde der Auftritt ein intensives Konzerterlebnis. Ich mag diese langen Wall-of-Sound-Eskapaden sehr gerne, die Energie übertrug sich sehr unmittelbar auf mich. Bassist David schonte sich keine Sekunde und war ständig in Bewegung, was durchaus bemerkenswert ist, denn nur eine gute halbe Stunde nach dem Auftritt stand er bereits wieder als Gitarrist bei Adam Angst auf der Bühne. Top Auftritt, super Band!
Größer hätte der Gegensatz kaum sein können, denn nach Fjørt ging es auf der kleinen Bühne weiter mit dem niederländischen Singer-Songwriter Tim Vantol. Den hatte ich zuletzt beim vorletzten Riez fast komplett verpasst, diesmal kam er ohne seine Band und war trotz einer chaotischen achtstündigen Anreise bestens aufgelegt. Musikalisch nicht so ganz mein Ding, überzeugt Tim Vantol mit sehr sympathischer Ausstrahlung, einer tollen Stimme und guten Songs. Am 28. Oktober spielt er übrigens ein Benefizkonzert für das angeschlagene Exhaus, da sollte man auf jeden Fall einmal vorbeischauen!
So langsam kamen nun die Headliner an den Start und den Anfang machten Adam Angst. Die Band um Felix Schönfuss habe ich ja schon einige Male live gesehen, jetzt aber schon ziemlich lange nicht mehr. Das zweite Album steht in den Startlöchern und der Band merkte man die Spielfreude an. Man war bestens gelaunt, flachste über das am Folgetag stattfindende große Elektrofestival auf dem Gelände und die Möglichkeiten, die ein Wechsel auf ein Elektroprojekt so mit sich bringen würden. Dazu kam es erst einmal nicht und Adam Angst bretterten ihre oft zynische Weltsicht souverän und begeisternd in die Menge. Die Tour zum Album führt leider erst einmal nicht in die Nähe, aber ich bin mir sicher, dass ich die Jungs demnächst mal wieder irgendwo sehen werde.
Ganz bis zum Ende habe ich mir Adam Angst nicht angesehen, denn von The Baboon Show wollte ich mir keine einzige Sekunde entgehen lassen. Ich fragte mich ja, ob der zu einer Bühne umfunktionierte Anhänger der extremen Power der Schweden überhaupt standhalten würde, aber es ging alles gut und auf und vor der Bühne war der Teufel los. Es ist ziemlich genau drei Jahre her, seit ich die Baboon Show zuletzt live erleben durfte, seitdem haben wir uns irgendwie immer verpasst. Was für ein Versäumnis, denn das ist wirklich eine der überragendsten Livebands, die sich zurzeit so auf den Bühnen tummeln. Nicht umsonst werden sie ja auch von den Hosen oder den Broilers mit auf Tour genommen. Ich liebe die Alben der Band sehr, doch live ist das noch einmal um ein Vielfaches potenzierte Energie, roh, wild und leidenschaftlich. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht natürlich Frontfrau Cecilia, doch alle vier versprühen so viel positive Energie, dass man gar nicht anders kann als mitgerissen zu werden. Was für eine Sause, für mich das absolute Highlight des Tages, was aber nicht besonders überraschend kam.
Nass von Schweiß und unzähligen Bierduschen orientierte ich mich nach einer kleinen Kaltschale dann wieder zur Hauptbühne, wo Kettcar den Tag abschlossen. So richtig haben mich die Platten bislang nie erreicht, doch der Auftritt machte sehr schnell deutlich, dass wir es mit einer wirklich großen Band zu tun haben. Die Setlist war abwechslungsreich und die Performance untermalt von Videoscreens sehr souverän und professionell. Mit Trostbrücke Süd und Graceland ging es los und bis zum Abschluss mit Landungsbrücken raus vergingen die knapp 90 Minuten sehr schnell. Bassist Reimer Bustorff wagte sich sogar zum ersten Mal ans Stagediving, auch die Band schien durchaus Freude an diesem Abend zu haben.
Kettcar waren ein absolut würdiger Abschluss eines Festivals, das für mich nicht nur musikalisch zu den absoluten Highlights des Jahres zählte. Auch wenn dem Sommer pünktlich zum Open Air die Luft ausging, ist die See- und Strandatmosphäre etwas ganz Besonderes, die entspannte Stimmung überträgt sich irgendwie auf alle Besucher und macht das Rockaway Beach Open Air so zu einem Event für die ganze Familie. Ich freue mich schon sehr auf das nächste Jahr!