Zweimal war ich bereits auf dem Festival der Bierkulturen, und nachdem ich im Vorjahr verhindert war, wollte ich mir die in 2018 nun schon zum neunten Mal stattfindende Traditionsveranstaltung unweit der Helios Braustelle nicht entgehen lassen. Diesmal wählte ich aber nicht den gemütlichen Sonntag, sondern besuchte das Bürgerzentrum in Ehrenfeld am immer ausverkauften Samstag, und ich war gespannt, wie voll es sein werden würde.

Und ja, es war ausverkauft und entsprechend voll, im Gegensatz zu manch anderem fand ich die Veranstaltung aber nicht überfüllt, vor allem im großen Saal war eigentlich immer genügend Platz und man kam recht problemlos an die Biere. Für das Fachgespräch mit den Brauern blieb aber natürlich weniger Zeit, wer darauf Wert legt, dem sei definitiv der Sonntag empfohlen.

Das Festival der Bierkulturen gehört zu den eher kleinen, gemütlichen Festivals, das dennoch Jahr für Jahr ein erstaunlich gutes Lineup zusammenstellen kann. Unter den 24 anwesenden Brauereien war in diesem Jahr Berlin stark vertreten. Aus der Hauptstadt waren die Bierfabrik, Schneeeule und Heidenpeters angereist, drei Brauereien, auf die ich mich besonders freute. Traditionell werden auch Gäste aus dem Vereinigten Königreich eingeladen, in diesem Jahr 40 FT Brewery, Elusive, Iron Pier und Solvay Society. Aus Belgien waren Hof ten Dormaal und ‚T Hofbrouwerijke angereist.

Ich hatte mir natürlich einen Plan gemacht und wollte mich wie so oft von eher leicht zu den stärkeren Kalibern vorarbeiten, was letztendlich ganz gut klappte. Mir kam dabei entgegen, dass hier, wie schon in Budapest beobachtet, leichte Sauerbiere stark vertreten waren. Nicht nur der für seine Gose weltberühmte Bayerische Bahnhof aus Leipzig oder die für klassische Berliner Weisse bekannte Schneeeule waren hier präsent, auch an vielen anderen Ständen wurde man fündig und es war spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Stile interpretiert wurden.

Meine Top 5

1. orca brau – wildfang #1 (BA Sour Saison)
2. Bierfabrik – On the Spur of the Moment Dark Edition (BA Sour Ale)
3. Third Sector Brewing – Aam Lassee (NEIPA)
4. ‚t Hofbrouwerijke (Chocolate Porter auf Schaarbeekse Krieken gereift)
5. Kehrwieder Kreativbrauerei – Seehafen I (BA IPA)

Nicht nur aufgrund meiner persönlichen Favoritenliste war orca brau aus Nürnberg für mich der Gewinner des Festivals, denn nicht nur der Wildfang war grandios, sondern die Biere wussten in der Breite zu überzeugen. Beim Wildfang #1 handelt es sich um einen Blend aus einem neun Monate im Zwetschgenschnapsfass gelagerten und mit Wildhefen vergorenen Saison und einem auf Zwetschgen mit Lactobazillus vergorenen Sour Saison. Hört sich spannend an, und erfüllte die Erwartungen voll und ganz. Das Fass gibt dem Saison einen kräftigen Körper und der Schnaps setzt spannende Akzente, ohne die feine Aromatik zu überlagern. Super Bier und mit ziemlichem Abstand mein Favorit.

Wo Licht ist, war aber auch Schatten, und die Bandbreite zwischen ausgezeichneten und eher schwächeren Bieren war schon recht groß. Zu den größten Enttäuschungen gehörte für mich das Erdbeer Ale vom Brauprojekt 777 und der Senatsbock von Kehrwieder, von dem ich mir viel, viel mehr erwartet hatte. Sympathiepunkte gewannen die kleinen, lokalen Brauer, die ein fester Bestandteil des Festivals sind. So hat die Vereinigung der Haus- und Hobbybrauer ebenso einen festen Platz wie die Kölner Bierhistoriker. Nur wenige hundert Meter Anreise hatte Bäm Bäm Bräu, ein kleines Hobbyprojekt, das mit Jupp, einem wilden Schlehen-Wit oder dem Jraduss, einem leicht pfeffrigen Saison grundsolide Biere anbot!

Zum Glück machte ich mich rechtzeitig auf den Weg, denn aufgrund von eigenem Unvermögen und einem ziemlichen Bahnchaos hätte ich es fast nicht mehr nach Trier geschafft. So blieb aber in der Rückschau der positive Eindruck einer erneut sehr gelungenen und abwechslungsreichen Veranstaltung, im nächsten Jahr werde ich mir aber wohl wieder den Sonntag vormerken.