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Wenn es um den Titel der besten Bierbar überhaupt geht, fällt immer wieder ein Name: ‚In de Verzekering tegen de Grote Dorst‘. Gelegen inmitten des Pajottenlands, einer legendären Lambikregion im Südwesten von Brüssel, sind hier die Wege zu den Weltklassebieren kurz. Dennoch ist es bemerkenswert, dass eine, mit Verlaub, unscheinbare Dorfkneipe sich einen derartigen Ruf in der Bierszene erarbeiten konnte. Dem musste ich auf den Grund gehen.

In de Verzekering tegen de Grote Dorst

Ganz dumm sind wir ja nicht, daher machte ich mich gemeinsam mit den Hopfenjüngern in aller Herrgottsfrühe auf den Weg, um vor der Öffnung in Elzeringen zu sein. Uns war klar, dass am Wochenende der Cantillon Quintessenz Biernerds aus der ganzen Welt nach Brüssel strömen, und dabei bestimmt auch diesen Ort im Visier haben würden. Und das Gefühl trog uns nicht, denn schon weit vor der offiziellen Öffnung sonntags um 10 Uhr morgens standen schon zahlreiche Liebhaber belgischer Sauerbiere im typischen Regen vor der Tür. Die Öffnungszeiten sind sowieso Teil des Mythos, denn geöffnet hat man nur sonntags, an kirchlichen Feiertagen sowie im Falle einer Beerdigung in der benachbarten Kirche samt Friedhof.

In de Verzekering tegen de Grote DorstDank unserer Freunde aus England ergatterten wir gewissermaßen die Pole Position und vor allem einen Tisch, ein Glück, dass nicht jedem Gast zuteilwurde. Die Schlange reichte schnell bis weit auf die Straße und die Mitarbeiter des Familienbetriebs taten ihr Bestes, die Versorgung mit Schätzen aus dem Bierkeller sicherzustellen. Doch worin begründet sich der Ruf?

Neben der urigen Atmosphäre und den sehr freundlichen Besitzern sind es natürlich die außergewöhnlichen Biere, die diesen Traditionsbetrieb zu einem Anziehungspunkt für die internationale Bierszene, aber eben auch die Bewohner der Nachbarschaft machen. Im Keller lagern wahre Schätze, die Bierliste ist ein kleines Buch und es sind vor allem die alten Jahrgänge der großen Namen der Lambic- und Gueuzewelt, die aufhorchen lassen. Wo bekommt man schon einmal eine 30 Jahre alte Gueuze zu trinken, die stilecht eingestaubt an den Tisch gebracht wird.

In unserem Fall war dies die 1988er Gueuze der 1894 gegründeten Brauerei Eylenbosch, die damit ein Jahr vor der Übernahme durch Mort Subite 1989 das Licht der Welt erblickte. Die seit 2001 zusehends verfallende Brauerei in Schepdaal wird gerade in einen Appartmentkomplex umgewandelt. Das Bier war sensationell frisch und fruchtig, und auch wenn es zwar beileibe kein Schnäppchen war, wurden für so einen besonderen Tropfen definitiv keine Mondpreise aufgerufen. Überhaupt sind die Preise absolut im Rahmen, wenn man sich bewusst ist, was für Biere hier im Angebot sind, und was diese auf dem Weltmarkt für Preise erzielen würden.

Unsere Ausgangslage zur Erkundung der Kostbarkeiten war gewissermaßen perfekt, denn wir konnten die Biere auf zehn Personen verteilen, wodurch wir uns einmal quer durch den Keller trinken konnten. Ein großer Dank gilt unseren Freunden aus England, die den ein oder anderen Tropfen an den Tisch brachten, der bei uns dann doch über der Schmerzgrenze lag. Vor allem wenn man noch zwei weitere Tage voller Sauerbierverrücktheiten vor sich hat.

In de Verzekering tegen de Grote Dorst

Die Verzekering tegen den groten dorst wurde ihrem Ruf von Anfang an voll und ganz gerecht. Nicht nur wegen der fantastischen Biere, sondern auch wegen der trotz des Menschenauflaufs urgemütlichen Atmosphäre, die in jedem Winkel die Patina einer langen Historie offenlegte. Die Geschichte des 1842 gebauten Hauses schien 1999 in Gefahr zu sein, als die 85-jährige Besitzerin Margriet am Heiligabend nach 51 Jahren das vorerst letzte Bier öffnete. Doch die Gebrüder Kurt und Yves Paneels wollten das historische Erbe bewahren und renovierten das Gebäude fünf Jahre lang, bis es im Jahr 2005 neu eröffnet wurde. So wurde ein Ort zum wohlfühlen bewahrt, der zwar längst kein Geheimtipp mehr ist, aber jedem Bierliebhaber dringend ans Herz gelegt wird.

Unsere Highlights

In de Verzekering tegen de Grote DorstSelten war es so schwer, über einen Nachmittag hinweg die persönlichen Highlights herauszugreifen, denn alles was wir im Glas hatten war aufregend und hochklassig. Ich versuche es trotzdem einmal.

Bokkereyder

Was hatte ich mich geärgert, dass ich die Bokkereyder Biere beim Arrogant Sour Festival im letzten Jahr verpasst hatte. Jetzt bot sich die Gelegenheit und ja, der Hype ist gerechtfertigt! Es gelang uns drei Biere zu probieren (Pjassel, Vlierbloesem, Zomersaison), die durch die Bank überzeugten.

Geuzestekerij De Cam, Oude Kriek 2009

Bei den großen Namen aus Belgien ging mir De Cam bislang etwas durch. Im Jahr 1999 begann man Lambics von Boon, Girardin und Lindemans zu blenden, drei Jahre später konnte man die ersten Ergebnisse probieren. Die ersten Oude Kriek Flaschen sind aus dem Jahr 2004 überliefert. Benutzt werden vornehmlich die raren Schaerbeekse Kirschen, die gegebenenfalls durch Kirschen aus Polen aus dem Bestand von Frank Boon ergänzt werden. Die Zeit hat dem 2009er Kriek gut getan. Das Bier kommt extrem rund ins Glas mit tollen Kirscharomen. Probiert haben wir außerdem das frische Wilde Bosbessen, das sich an der Theke erst einmal Luft machte und die frisch gespülten Gläser überflutete. Definitiv kein Bier für Anfänger, trockener Brettmuff, Frucht vor allem über die leicht bittere Beerenhaut, ich glaube der ein oder andere hat mal vorsichtig unter dem Arm gerochen, ob es das Bier oder man selbst ist… Aber wenn man den ersten Schreck mal überwunden hat, entwickelt sich ein komplexes, herausforderndes Bier.

In de Verzekering tegen de Grote DorstOud Beersel, Schaarbeekse Oude Kriek

Auch Oud Beersel habe ich bislang immer unterschätzt. Die Lambic Brauerei, die mit Wort von Boon arbeitet, hat eine lange Geschichte, die bis ins Jahr 1882 zurückreicht. Die 2015er-Version des Schaarbeekse Oude Kriek müsste die erste Version dieses Biers sein und kommt extrem frisch, fruchtig und stimmig ins Glas. Ich hatte permanent Lust, mir die Lippen zu lecken. Mittlerweile baut man auf dem eigenen Brauereigelände eigene Schaarbeekse Kirschen an, die erste Ernte wird 2020 erwartet.

Tommie Sjef Wild Ales, Framboos

Der blutjunge niederländische Brauer war in den vergangenen Monaten so etwas wie der Shootingstar der Szene, der mich bislang wirklich noch nie enttäuscht hat. Auch das Framboos hat die typisch knackige Säure, die dennoch den Fruchtcharakter unterstützt. Konstantes Weltklasseniveau.

HORAL’s Oude Geuze Mega Blend 2009

Ein ganz besonderes Bier und die erste Coproduktion von 3 Fonteinen, Boon, De Cam Geuzestekerij, De Troch, Hanssens, Lindemans, Oud Beersel and Timmermans anlässlich der Toer de Geuze 2009. Insgesamt 16.000 Flaschen wurden Bei Boon geblendet und in die Flasche gebracht. Für uns war es das erste Bier des Wochenendes und gleich ein Highlight. Trotz des Alters immer noch frisch und funky, mit angenehm weicher Textur. Und das um 10 Uhr. Aber die wichtigste Gueuze des Tages ist ja bekanntlich die Frühstücksgueuze, so sollte es dann auch die folgenden Tage in Brüssel weitergehen.

Dank an lambic.info für die vielen Hintergrundinfos

In de Verzekering tegen de Grote Dorst

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