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Schon vor drei Jahren beschrieb ich Berlin als Craft Beer Hauptstadt und besuchte einige der Hotspots, die auch heute noch existieren (zum Artikel). Doch seitdem explodierte die Craft Beer Szene geradezu und zementierte den Ruf Berlins als Mekka des Biergenusses. Die Locations von damals (Hops & Barley, Heidenpeters, Eschenbräu, Vagabund, Hopfenreich) habe ich diesmal bewusst ausgelassen, zu viel Neues gab es zu entdecken. Lediglich im Brauhaus Lemke schaute ich erneut vorbei. Und dennoch reichten die fünf Tage bei Weitem nicht aus, um die Vielfalt in ihrer Gänze zu überblicken.

Protokoll Berlin

Protokoll Berlin

Straßenbräu

Trinken, wo eben noch gebraut wurde – bei Straßenbräu sitzt man mitten zwischen den Braukesseln, in denen außerhalb der Öffnungszeiten Timo Thoennißen das Bier braut, das man abends dann probieren kann. Zehn Biere sind am Hahn und die von mir getesteten Biere (NB 30 IPA, Tafel Saison und Vanilla Dream Milk Stout) waren absolut gelungen. Selbst die Bergische Maid wurde fündig und war mit ihrem „Beerengarten“, einem Waldbeeren Ale, sehr zufrieden.

Straßenbräu Berlin

Straßenbräu Berlin

Daneben haben mich die Atmosphäre und der freundliche Service voll und ganz überzeugt. Die Tafel mit den Bieren gibt außerdem viele Informationen. Lustig fand ich außerdem die Idee, statt mit Tischnummern auf Stofftiere zurückzugreifen. Eine schöne kleine Wohlfühlbar, geradezu ideal für meinen Einstieg in die Berliner Bierszene.

Neue Bahnhofstr. 30, geöffnet ab 16:30 Uhr (Webseite)

Protokoll

Das Protokoll war mein Favorit in Sachen Bierbar. Nicht nur, weil es mitten im Friedrichshainer Kiez und somit in direkter Nachbarschaft zu meiner Unterkunft lag, sondern vor allem weil supernette Leute hinter dem Tresen eine megainteressante Taplist offerierten. Und das sogar zu vergleichsweise moderaten Preisen. Könnte ich mir eine Bar für Trier malen, würde sie wahrscheinlich genau so aussehen. Aber da kann ich wohl noch lange träumen.

Protokoll Berlin

Protokoll Berlin

Wer Hunger hat, besorgt sich etwas in den Läden in der Nachbarschaft und bringt es einfach mit, alles ist super entspannt und auch Antialkoholiker werden fündig bei interessanten Limos, Ginger Ales und Colas. Ist man sich bei einem Bier nicht sicher, bekommt man sofort einen Taster zum Probieren, die Leute hinter der Theke wissen was sie erzählen und brennen für Craft Beer. Wie sehr man sich hier auch als Community versteht, zeigte sich, als mir gleich am ersten Abend das Ratebeer-Event im Muted Horn ans Herz gelegt wurde, was ich natürlich schon längst auf dem Zettel hatte. Dort habe ich dann auch tatsächlich Mitarbeiter aus mehreren anderen Kneipen getroffen, in Trier dürfte so etwas undenkbar sein, wo man dann lieber gegeneinander als miteinander um die wenigen echten Bierfans kämpft. Ich schaue noch immer ganz neidisch auf die ständig wechselnde Taplist und habe gerade echte Sehnsucht.

Boxhagener Str. 110, geöffnet ab 16 Uhr (Webseite)

Brewdog Berlin

Brewdog Berlin

Brewdog Berlin-Mitte

In Berlin-Mitte haben gleich zwei europäische Spitzenbrauereien neue Bars eröffnet. Neben Mikkeller (dazu gleich mehr) auch Brewdog, deren Netz an Bars mittlerweile ganz Europa überzieht, die in Deutschland aber noch recht spärlich vertreten sind. Erwartungsgemäß haben die Schotten auch in Berlin einen amtlichen Laden in den Kiez gesetzt, mit viel Holz und einer eindrucksvollen Armada an Taps. Hier werden natürlich überwiegend eigene Biere ausgeschenkt, doch auch die Gastbiere waren durchaus hochkarätig. Ich habe mich sehr gefreut, hier das Rauch Royal von Gänstaller zu finden, ein Bier, das ich ja gerade erst nach Trier gebracht habe.

Brewdog Berlin

Brewdog Berlin

Bei meinem ganz unnärrischen Besuch am Rosenmontag konnte ich eine zünftige Düsseldorfer Altbierbattle durchführen, denn es gab Füchschen Alt und Uerige Alt vom Fass. Für mich war das Uerige der Sieger. Hungrige Menschen können sich übrigens an knusprigen Hipsterfladen satt essen, Pizzapuristen würden den Begriff „Steinofenpizza“ bei den durchaus kreativ zu nennenden Belägen wohl schlichtweg ablehnen.

Ackerstrasse 29, geöffnet ab 12 Uhr (Webseite)

Mikkeller Berlin

Mikkeller Berlin

Mikkeller

Im Vergleich zu Brewdog geradezu bescheiden residiert der dänische Craft Beer Gigant Mikkeller in einer kleinen, sehr gemütlichen Bar mit 24 Hähnen. Die Taplist war bei meinem Besuch außergewöhnlich gut. Neben hochklassigen Bieren aus eigener Produktion (darunter die großartigen Spontanale & Spontanrosehip) gönnte ich mir mit dem 3 Bean Stout von Lervig ein von mir innig geliebtes Bier. Dazu gab es mit dem Brush ein Imperial Stout aus der Omnipollo/Wakefield Zusammenarbeit. Zu essen gibt es Wurst, Käse und Brot, was ich zum Bier ja immer prima finde.

Torstraße 102, geöffnet ab 15 Uhr (Webseite)

Mikkeller Berlin

Mikkeller Berlin

Muted Horn

Das Muted Horn genießt in der Szene einen Ruf wie Donnerhall und wurde jüngst von den Nutzern der Bewertungsplattform Ratebeer zur besten Bar Berlins und sogar Deutschlands erkoren. Das musste gefeiert werden und so hatte ich das Glück, ausgerechnet zur Ratebeer Best Celebration Party meinen Antrittsbesuch in Neukölln zu machen.

Muted HornUnd das Event hielt, was es versprach, die Taplist war unfassbar, der Laden schon mittags gut gefüllt und das Publikum extrem fachkundig. Leider hatte ich nach Foodtour und vor dem Konzert der Rogers nur ein schmales Zeitfenster, aber was ich probierte, war schon außergewöhnlich gut. Ich konzentrierte mich auf die sauren Leckereien, hier stachen das Crooked Stave Nightmare on Brett und das Sang Royal meiner Favoriten von Cascade besonders hervor. Von Neid zerfressen musste ich sehen, dass es hier in Kürze ein Cascade Vertical Tasting geben wird, was wäre das für ein Event für mich…

Das Muted Horn selbst ist eher spartanisch eingerichtet und lässt die Qualität der aus 22 Hähnen und unzähligen Flaschen fließenden Biere für sich sprechen. Gemütlich ist es aber irgendwie doch und die Jungs und Mädels hinter der Theke wissen auch genau, was sie da machen. Ich habe mich sehr wohlgefühlt und auch einige neue Bekannte aus den anderen Bars wiedergetroffen. Für mich neben dem Protokoll das Highlight dieser Reise.

Flughafenstraße 49, 12053 Berlin, geöffnet ab 17 Uhr, Wochenende ab 15 Uhr (Webseite)

Stone Brewing World Bistro & Gardens

Stone Brewing World Bistro & Gardens

Stone Brewing World Bistro & Gardens

[UPDATE: Stone hat sich in Berlin an dieser Stelle leider nicht durchsetzen können. Das riesige Gelände in Marienfelde samt Brauerei wurde an Brewdog verkauft, dort bin ich leider noch nicht vor Ort gewesen. Stone selbst betreibt aber noch einen gemütlichen Brauereiausschank in Mitte]

So richtig wusste ich ja nicht, was ich vom Auftritt des amerikanischen Craft Beer Giganten Stone in Berlin halten sollte. Angetreten mit nichts anderem als dem Anspruch, den deutschen Biermarkt zu revolutionieren, baute man in Berlin-Mariendorf ein im September 2015 eröffnetes, imposantes Areal mit Braustätte, Restaurant und Biergarten, das geschätzt 25 Millionen verschlungen hat. Gut investiertes Geld, was man sofort sieht, wenn man erst einmal dort ist. Aber die Anreise ist ziemlich mühsam und dauerte von Friedrichshain aus mehr als eine Stunde.

Stone Brewing World Bistro & Gardens

Stone Brewing World Bistro & Gardens

Hat man die vom berühmten Stone-Gargoyle bewachte Pforte durchschritten und ist erst einmal drin, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir hatten die Brauereiführung gebucht, die einem an einem Sonntag zwar keinen direkten Einblick in den Brauvorgang erlaubte, aber dennoch einen Eindruck vermittelte, in welchen Mengen und mit welchem Anspruch man hier Bier braut. Dazu gab es Berliner Weisse, IPA und Xocoveza zu verkosten, die Führung lohnt sich durchaus.

Danach zogen wir uns zu meinem vorgezogenen Geburtstagsdinner ins gigantische Restaurant zurück, das trotz der Dimensionen tatsächlich Gemütlichkeit ausstrahlte. Das Essen war großartig und kreativ, die Bierkarte der Hammer. Immerhin konnte man aus 50 Taps schöpfen. Praktischerweise gibt es alle Biere auch im 0,1-Taster, sodass man sich richtig schön durchprobieren kann. Gewinner des Abends war für mich das Imperial Cocoa IPA, von dem wir uns gleich noch einen Growler mitnahmen, um diesen an meinem Geburtstag genießen zu können.

Stone Brewing World Bistro & Gardens

Stone Brewing World Bistro & Gardens

Bei aller Skepsis hat mich das Konzept durchaus überzeugt. Ich freue mich schon darauf, bei wärmeren Temperaturen den Außenbereich auszuprobieren, der wohl ebenso gigantisch ist wie das Restaurant. Im Shop deckte ich mich noch mit einer Flasche Saurer Axtmann ein, eine Ingwer-Weisse in Zusammenarbeit mit der Brauerlegende Todd Haug.

Im Marienpark 23, geöffnet ab 12 Uhr, Sonntags ab 10 Uhr (Webseite)

Kaschk

Kaschk Berlin

Die dritte Location neben Brewdog und Mikkeller innerhalb eines recht kleinen Radius ist das Kaschk. An zwölf Taps gibt es nationale und internationale, vor allem skandinavische Biere, die aber selbst im Vergleich zu anderen Locations nicht gerade günstig sind. Ein großer Vorteil des Kaschk vor allem für interessierte Beerhunter ist, dass man hier bereits vormittags vorbeischauen kann, andere Bars öffnen zum Teil erst deutlich später.

Ein Alleinstellungsmerkmal des Kaschk ist das Shuffleboard, in der Gruppe kann man sich also gut die Zeit vertreiben. Mir persönlich hingen hier am frühen Nachmittag zu viele Nicht-Biertrinker ab, für Biernerds gibt es heimeligere Spots und so richtig gemütlich fand ich es zwischen den ganzen Macbooks und Kaffeetassen nicht. Wer in der Gegend ist, sollte aber auf jeden Fall auf ein Bier hereinschauen.

 

Linienstrasse 40, geöffnet ab 8 Uhr, Wochenende ab 10 Uhr (Webseite)

Brauhaus Lemke

Brauhaus Lemke

Das Brauhaus Lemke ist eine Institution in der Berliner Bierszene, schon seit 1999, also in der deutschen Craft Beer Steinzeit, braut Oli Lemke hier kreatives Bier. Mittlerweile kann man sich an drei Standorten von der Qualität der Biere überzeugen, einmal am Schloss Charlottenburg, am Alex und am Hackeschen Markt, wo es uns diesmal wieder hinverschlug.

Von der Atmosphäre her hält das Brauhaus, was der Name verspricht. Es geht zünftig zu, bei bodenständiger deutscher Wirtshausküche mit deftigen Gerichten. Ich gönnte mir eine Wursttrilogie mit Bratkartoffeln und Sauerkraut, wobei mich Wurst und Kraut durchaus überzeugten, die Bratkartoffeln aber nicht so richtig gelungen waren. Sehr gut war dagegen die Currywurst, die wir am folgenden Tag im Rahmen der Foodtour probieren konnten.

Aber hier geht es ja ums Bier, und so ganz unvorbelastet war ich diesbezüglich nicht, denn seit einiger Zeit gibt es einige Lemke Biere sogar im Supermarkt bei mir um die Ecke. Gefallen haben mir die Budike Weisse sowie die Hopfenweisse, weniger angetan war ich vom Eichenrauch-Rauchbier, was mir persönlich viel zu zahm war.

Dircksenstr., S-Bahnbogen 143, geöffnet ab 12 Uhr (Webseite)

Fazit

Berlin ist immer eine Reise wert, aber für Craft Beer Aficionados ist die Stadt absolute Pflicht. Hier wird einem die Provinzialität der Heimat noch einmal so richtig schmerzhaft bewusst, was nicht an den Leuten liegt, die auch hier versuchen etwas zu bewegen, sondern an der fehlenden Offenheit und Akzeptanz für Neues.

Acht Locations konnte ich in den fünf Tagen besuchen, und immer noch fehlen mir einige richtig heiße Adressen. Birra, BRLO BRWHOUSE, Schoppe Taproom, Monterey Bar, Two Fellas – es gibt noch so viel zu entdecken, und ich kann es nicht erwarten, bald wieder da zu sein.

UPDATE: Mittlerweile war ich wieder in Berlin und habe natürlich auch wieder berichtet!

Die Stadt der Craft Beer Tempel (Teil 3)

Neben dem Bier haben wir aber noch andere Dinge gemacht, einfach hier klicken!

Reisebericht Berlin: Fünf Tage volles Programm

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6 Comments

  1. Icke Jo / Februar 19, 2018 at 17:12 /Antworten

    Was ist mit Dolden Mädel Braugasthaus? 🙂

    • Treverer / Februar 19, 2018 at 17:45 /Antworten

      Oha, das hatte ich in der Tat noch nicht auf dem Schirm. Vielen Dank für den Tipp!

  2. Kai Schleyerbach / Februar 19, 2018 at 17:13 /Antworten

    Danke für deinen Bericht. Hops&Barley – ebenfalls F’hain haste nicht besucht? Ganz heimelig insb. wenn Fußball läuft.

    • Treverer / Februar 19, 2018 at 17:48 /Antworten

      Hops & Barley finde ich super. Das hatte ich diesmal schweren Herzens ausgelassen, weil ich dort vor drei Jahren schon einmal war. Da hatte ich sogar etwas dazu geschrieben. Gehört aber definitiv zu meinen Favoriten. http://www.treverer.com/2015/04/berlin-bier/

  3. Errol Ballaschk / Februar 21, 2018 at 21:02 /Antworten

    Also wenn Du wieder in Berlin weilst,
    da haben wir noch die Rollberg, die Zukunft, die neulich, die Berg Brauerei, neu Quartier Brauerei, nicht zu vergessen Brewbaker, noch Tipp für tschechische Biere – Prager Frühling, Szimpla mit seinen vielen Ablegern, wie z.B. jetzt Labor – der coolste Taperoom Berlins, nicht zu vergessen, die Jungs in Marzahn ( Bierfabrik, Brewers Tribute u.v.a.)
    diese Liste ist noch lange nicht vollständig …

    • Treverer / Februar 21, 2018 at 21:11 /Antworten

      Vielen Dank für die vielen Hinweise, Errol. Ich sehe schon, ich muss bald wieder nach Berlin!

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