Die Nacht in Marys Bed and Breakfast war erholsam und das Frühstück hervorragend. Gestärkt von einem Full Irish Breakfast hat man tatsächlich genug Energie für einen ganzen Tag auf der Straße, ohne bereits mittags wieder Verpflegung suchen zu müssen. Die Etappe dieses Tages führte uns nach Ballycastle, wobei am Ende ein erstes Game of Thrones Highlight stehen sollte, nämlich die berühmte Straße unter den Bäumen der Dark Hedges.
Erst einmal fuhren wir allerdings noch einmal einige Kilometer zurück, denn auf die Walled Gardens von Glenarm Castle wollte die Bergische Maid keinesfalls verzichten. Burg und Anwesen befinden sich seit 1636 im Besitz der Dukes of Antrim, noch heute befinden sie sich in Familienbesitz und auch wir begegneten der Viscountess Dunluce und ihrer Familie, die sich gerade mit Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten versorgt hatte.
Der Besuch des Gartens lohnt sich tatsächlich nicht nur für überzeugte Botaniker. Für sechs Pfund Eintritt bekommt man Zugang zu einer topgepflegten Anlage mit Obst und vielen bunten Pflanzen, es gibt aber ebenfalls schöne, weitläufige Rasenflächen und sogar einen Aussichtshügel, von dem man das gesamte Areal und die umgebende Landschaft überblicken kann. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viel Geld die Pflege eines solchen Areals verschlingt, von daher ist der Eintritt sicher gut investiert. Glenarm Castle war leider geschlossen, an bestimmten Tagen ist der Castle Walk vom Garten zur Burg sogar geöffnet.
So fuhren wir wieder zurück nach Cushendall, wo wir erst einmal den Strand an der Cushendall Bay in Augenschein nahmen, der uns aber nicht so gut gefiel. Unweit des Strandes befindet sich auch die Layde Church. Was für ein fantastischer, beruhigender Ort mit tollem Blick über die Bucht in Richtung Schottland! Hier waren wir am Vorabend schon kurz gewesen, doch der Regen hatte ordentliche Fotos unmöglich gemacht. Nun schien die Sonne und der Ort änderte komplett seine Atmosphäre. Wie an vielen Stellen abseits der großen Attraktionen waren wir hier wieder völlig allein und konnten die Magie der alten Gemäuer auf uns wirken lassen.
Wir beschlossen, von hier aus die Coastal Causeway Route für ein Stück zu verlassen und fuhren über die hügelige Landstraße nach Cushendun. Der weitläufige Strand an der Cushendun Bay war fantastisch und sogar meine Holde wagte sich ein paar Meter in die Fluten, um ihren etwas malträtierten Zeh zu kühlen.
Von Cushendun aus muss man dringend darauf achten, den Schildern „Scenic Road“ oder „Torr Road“ zu folgen, denn diese Straße gehört zu den Höhepunkten entlang der Causeway Coastal Route. Sie schraubt sich manchmal recht steil und stets eng den Berg hinauf und bietet immer wieder unfassbar schöne Aussichten bis zur Mull of Kintyre an der schottische Küste. Ein absoluter Roadtrip-Traum. Ziel ist Torr Head, wo man zu einem heute sehr maroden Beobachtungsturm klettern kann. An feuchten Tagen würde ich durchaus solides Schuhwerk empfehlen, denn auch wenn der kurze Aufstieg nicht sehr schwierig ist, kann es schon rutschig werden. Belohnt wird man wieder mit herrlichen Ausblicken entlang der Steilküste, hier hätte ich Stunden verbringen und aufs Meer blicken können.
Doch wir hatten ja noch ein paar Dinge vor, daher kurvten wir erst einmal in Richtung Fair Head, von wo aus es mehrere Wanderwege verschiedener Länge entlang der Steilküste gibt, die man von einem kostenpflichtigen Parkplatz bei einem Farmer aus erreicht (je nach Fahrzeug und Dauer 2–3 Pfund). Da der Zeh meiner Begleitung aber trotz des erfrischenden Bades noch streikte, verzichteten wir auf eine Wanderung und fuhren weiter nach Ballycastle, wo wir uns am Ortseingang noch die Bonamargy Friary ansahen. Die Ruinen der um 1500 errichteten Kirche liegen mit ihrem Friedhof heute mitten in einem Golfplatz, sind aber von einem kleinen Parkplatz aus problemlos zu erreichen.
Bevor wir uns zu unserer Unterkunft aufmachten, beschlossen wir noch einen Abstecher zu den Dark Hedges zu machen. Im Prinzip handelt es sich um eine noch heute genutzte Straße, die als schnurgerade Allee von herrlichen alten Bäumen überwachsen ist und Berühmtheit erlangte, als sie zum Drehort für Game of Thrones ausgesucht wurde. Seitdem ist es mit der Ruhe vorbei, und ich wundere mich, dass tatsächlich immer noch (nun ziemlich genervte) Einheimische die Straße nutzen.
Busse karren unzählige Gäste spezieller Game of Thrones Tours hierhin, viele Individualreisende machen es sich einfach und parken der Einfachheit halber direkt an der Straße unter den Bäumen (und ruinieren dabei die Fotos der anderen). Wir parkten unser Auto am Dark Hedges Hotel und gingen ein Stück zu Fuß, nicht ahnend, was uns dort für ein Menschenauflauf noch am späten Nachmittag erwarten sollte. Wer ungestört die Schönheit der Natur genießen oder Fotos machen will, sollte früh aufstehen oder den späten Sommerabend nutzen. Schön ist es auf jeden Fall und ich hatte sogar noch Glück, dass ich einen Moment (fast) ohne Menschen auf einem Foto festhalten konnte. Wie lange diese Allee mit ihren 300 Jahre alten Buchen in dieser Form noch bestehen bleibt, wird die Zeit zeigen. Es wäre sicher gut, wenn die Touristen zumindest aufhören würden in die Bäume zu ritzen.
Unterkunft & Food
Unsere Unterkunft hätten wir nicht besser treffen können. Das Teach an Cheoil B&B in Ballyvoy, nur wenige Kilometer von Ballycastle entfernt, punktete schon bei der Anfahrt mit einer fantastischen Aussicht auf die Hügel bis zur Küste. Hier hatte man wirklich das Gefühl, in eine Familie aufgenommen zu werden. Das Haus hat nur zwei Gästezimmer, die eingerichtet sind, als wäre der eigentliche Bewohner gerade in Urlaub. Das hervorragende Frühstück nimmt man im Musikzimmer ein, bei Gastgeber Michael und seiner Familie kann man bei Bedarf auch Musikunterricht nehmen oder sich in die gälische Sprache einführen lassen.
Michael gab uns einen Tipp für den Abend, nämlich das Anzac Bistro in Ballycastle. Vor dessen Tür trafen wir beim Studium der Karte auch einen Taxifahrer wieder, dem wir bereits am Fair Head begegnet waren, und der das Anzac ausdrücklich empfahl. Also nichts wie rein und mit etwas Glück bekamen wir im Restaurantbereich über dem Pub noch einen Tisch. Für mich gab es herrlich brutzelndes Rindfleisch mit Gemüse in einer glühend heißen Gusspfanne, Alex wählte Entenbrust mit Granatapfelkernen. Auch zwei interessante Biere aus der Region gab es, nämlich das Rathlin Red und das Fairhead Gold der Glens of Antrim Craft Ale and Beers Brauerei. Neben den tollen Labels auf der Flasche hat mir vor allem das Rathlin Red ausgezeichnet geschmeckt.
Mit der nötigen Bettschwere freute ich mich dann aber doch auf die Nacht. Von Michael bekamen wir während unseres Full Irish Breakfast am nächsten Morgen eine detaillierte Liste mit Vorschlägen, was wir uns auf der kommenden Etappe unbedingt ansehen sollten. Darunter befanden sich wahre Highlights unserer Tour, doch davon mehr im nächsten Teil!
Bislang veröffentlicht:
- Unterwegs auf der Causeway Coastal Route und dem Wild Atlantic Way
- Belfast– Boomtown mit Licht und Schatten
- Unterwegs auf der Causeway Coastal Route Tag 1 – Von Belfast nach Cushendall
- Unterwegs auf der Causeway Coastal Route Tag 2 – Von Cushendall zu den Dark Hedges
- Unterwegs auf der Causeway Coastal Route Tag 3 – Von Ballycastle nach Portrush
- Unterwegs auf der Causeway Coastal Route Tag 4 – Von Portrush über den Giant’s Causeway nach Derry
- Derry – „Walled City“ mit dunkler Geschichte
- Unterwegs auf dem nördlichen Wild Atlantic Way – Von Derry nach Malin Head
- Unterwegs auf dem nördlichen Wild Atlantic Way – Von Malin Head nach Rathmullan
- Unterwegs auf dem nördlichen Wild Atlantic Way – Von Rathmullan nach Dunfanaghy
- Unterwegs auf dem nördlichen Wild Atlantic Way – Von Dunfanaghy nach Glenties
- Unterwegs auf dem nördlichen Wild Atlantic Way – Von Glenties nach Slieve League
Ein paar Bilder
(Galerie liegt bei Flickr, daher anderes Layout)