Europapokal in Luxemburg ist immer etwas Besonderes, aber ich habe irgendwie ein Händchen für die besonderen Momente. So wohnte ich dem Hinspiel des sensationellen Sieges des F91 Düdelingen gegen die Dosen aus Salzburg im Jahr 2012 ebenso bei wie dem 2:1 Sieg des FC Differdingen über den FC Utrecht 2013, der durch das 3:3 im Rückspiel tatsächlich zum Weiterkommen reichte. Nun standen also die Glasgow Rangers auf dem Speiseplan von Progrès Niederkorn. Nach der respektablen 0:1 Niederlage vor 50.000 Zuschauern im Ibrox Park schaffte man im hauptstädtischen Josy Barthel Stadion mit einem verdienten 2:0 Erfolg gegen pomadige Schotten die Überraschung.
Die Fans der Glasgow Rangers scheinen schon eine gewisse Vorahnung gehabt zu haben, denn es reisten deutlich weniger als erwartet an. Dennoch war man zunächst lautstark in der Überzahl und die pure Anzahl an Union Jacks im Stadion war schon beeindruckend. Karten gab es also noch mehr als genug, am Ende fand das Spiel vor 5534 Zuschauern statt. Wir hatten unsere Position nach dem Sonnenstand bestimmt und standen so unversehens mitten im Block der Niederkorn-Fans, die bereits eine große Choreographie vorbereitet hatten. Aus Mangel an Masse waren helfende Hände dringend nötig und so bewaffnete man sich zum Einlauf der Mannschaften mit gelben und schwarzen Pappen, in die große P und N Aufsteller platziert wurden. Ich habe noch kein Bild gesehen, das sah aber sicher durchaus ansprechend aus.
Entsprechend erfreut war vor allem der Organisator und Vorsänger der Luxemburger über die erfolgreiche Choreo, es ist wirklich schön zu sehen, wie sehr man sich über solch gelungene Aktionen noch freuen kann, wenn man im Ligaalltag eher im kleinen Rahmen aktiv ist. Überhaupt nahm man sich auf Supportseite nicht allzu ernst, was den ausgelassenen Auftritt der Niederkorner wirklich mehr als sympathisch machte. Ich hoffe es hat keine größeren Konsequenzen für den Verein, dass ein Fan nach der Führung überschwänglich über den Zaun in den Innenraum stürmte und einen Dive in die Weitsprunggrube machte.
Auf den Rängen war tatsächlich mehr Ausgelassenheit als Anspannung zu spüren, irgendwie schien man an die Sensation nicht so recht zu glauben. Dieser Eindruck scheint sich auch bei den Spielern festgesetzt zu haben, denn irgendwie fehlte in der ersten Halbzeit das letzte Maß an Entschlossenheit, den Gegner auch mal zu Fehlern zu zwingen. Ein paar kleinere Chancen sprangen zwar heraus, aber oft machte man nicht den entscheidenden Schritt in den Fünfer, um ernsthaft für Gefahr zu sorgen.
Es war klar, dass den Rangers neben einem Unentschieden wohl ein Auswärtstor reichen würde, um sicher die nächste Runde zu erreichen, entsprechend gelassen agierten die Schotten. Es dauerte eine Weile bis Niederkorn merkte, dass da auch nur mit ziemlich lauwarmem Wasser gekocht wird. Die bekanntesten Spieler auf dem Platz waren Niko Kranjčar und Kenny Miller, wobei Kranjčar als Denker und Lenker noch eine halbwegs akzeptable Leistung ablieferte, wohingegen Miller nach einer guten Chance in der ersten Halbzeit ansonsten vor allem durch Rumstehen und mit dem Schiedsrichter diskutieren auffiel.
So fasste sich Niederkorn in der zweiten Halbzeit ein Herz und spielte deutlich entschlossener nach vorne. Glasgows Torwart Foderingham warnte seine Vorderleute zunehmend verzweifelt, den Gegner nicht immer wieder unbedrängt zum Abschluss kommen zu lassen, auch wenn die Versuche meist eher harmloser Natur waren. Und als ob er es geahnt hatte, klingelte es auf einmal im Kasten. Stürmer Emmanuel Francoise, über den schon zuvor alle Angriffe liefen, war nach einer schönen Flanke von außen den entscheidenden Moment spritziger als sein Gegenspieler und netzte aus kurzer Distanz ein (66. Minute). Damit hätte Niederkorn es schon einmal in die Verlängerung geschafft, doch man zog sich nicht zurück, sondern suchte weiter sein Glück mit schnellen Kontern. Glasgow ließ zu viele Standardsituationen zu, und eine solche wurde ihnen zum Verhängnis, als Sebastien Thill in der 75. Minute einen Freistoß von außen in Richtung Tor schlug, der an Freund und Feind vorbei den Weg in den Kasten fand.
Die folgenden fünfzehn Minuten wurden lang für Progrès, doch mit allerletztem Einsatz spielten auch die Rangers nicht nach vorne. Trotzdem gab es genügend Chancen, doch noch das entscheidende Auswärtstor zu machen, am Ende hatte Niederkorn bei drei Lattentreffern der Schotten Glück. Glück, das aber redlich verdient war. Gegen erschreckend schwache Schotten sah man keinen Klassenunterschied und in Sachen Einsatz war man dem nur vermeintlich übermächtigen Gegner klar überlegen. Auch von den schottischen Fans hörte man nach dem Rückstand nichts mehr.
Entsprechend groß war der Jubel nach dem erlösenden Schlusspfiff. Fans und Mannschaft feierten gemeinsam ausgelassen vor der Kurve, während es die Spieler der Rangers nicht einmal nötig hatten, sich ordentlich von den eigenen Fans zu verabschieden. Ein Verhalten, das aber schon die schottische Nationalmannschaft nach einem schwachen 2:1 Sieg an gleicher Stelle 2012 an den Tag legte. Kein Wunder, dass nach dem Spiel wütende Fans versuchten den Mannschaftsbus zu blockieren und die Mannschaft und vor allem Trainer Pedro Caixinha standesgemäß beschimpften. Selbst Gary Lineker machte sich auf seinem ohnehin sehr zu empfehlenden Twitteraccount lustig:
Rangers lost to a club in Luxembourg. Not Luxembourg but a club in Luxembourg. Not the best team in Luxembourg, the 4th best in Luxembourg.
In der zweiten Runde trifft Progrès Niederkorn aller Voraussicht nach auf AEL Limassol aus Zypern, die Hinspiele sind terminiert auf kommenden Donnerstag, die Rückspiele finden eine Woche später statt. Da kann man ja fast auf ein zweites Wunder hoffen!