Von Bergamo aus musste ich natürlich unbedingt einen Tagesausflug ins knapp eine Stunde entfernte Mailand unternehmen. Dass man mit einem so kleinen Zeitbudget einer Stadt keinesfalls gerecht werden kann, war mir natürlich klar, daher hatte ich mir nur ein paar wenige Highlights aufs Programm gesetzt. Praktischerweise hatten einige Attraktionen, die ich mir gerne angesehen hätte, montags sowieso geschlossen. Ganz oben auf der Wunschliste stand der Mailänder Dom. Das bedeutendste touristische Highlight der Stadt zieht die Massen an, daher wollte ich früh vor Ort sein, um den langen Schlangen zu entgehen. Was nicht wirklich funktioniert hat…
Der Mailänder Dom – Lange Schlangen und ein kurzes Beinkleid
Ich muss zugeben, dass ich für den Ausflug nicht wirklich gut vorbereitet war. Im Zug habe ich schnell noch versucht mir mithilfe des Reiseführers einen ersten Überblick zu verschaffen, und dann das: „Besuchern mit nackten Schultern und/oder kurzen Hosen kann der Einlass verwehrt werden.“ Bei 35° hatte ich ein sportliches Beinkleid gewählt, und machte mir nun ernsthaft Sorgen, ob mein Plan nicht schon vor Beginn zum Scheitern verurteilt war.
In Mailand angekommen war ich erst einmal von der monumentalen Architektur des Bahnhofs erschlagen. In der Metro kaufte ich mir am Automaten eine Tageskarte für den öffentlichen Nahverkehr, die mit 4,50 € wirklich superbillig ist. Krass, wie günstig so etwas in Großstädten sein kann, wenn ich mir da die Wucherpreise in Trier so ansehe… Der Domplatz ist mit der Metro in nur wenigen Stationen zu erreichen, und die Schlangen am Eingang waren noch erfreulich kurz. Aber die wichtigste Hürde stand ja noch bevor.
Tipp: Die Karten sollte man am Besten im Vorfeld online erwerben. Möglicherweise kostet das noch eine kleine Gebühr, man erspart sich aber den unnötigen Stress am Ticketschalter!
Meines Wissens gibt es zwei offizielle Ticketschalter, wobei einer wegen Restaurierungsarbeiten allerdings geschlossen war. In der Vorhalle des anderen Shops musste man erst einmal anstehen, um sich eine Wartenummer zu ziehen. Mir war beim Blick auf den Zettel schnell klar, dass das sicher nicht unter einer Stunde ablaufen würde. Aber es gibt auch noch Ticketautomaten. Zwei, um genau zu sein. Einer war aber natürlich kaputt, weshalb die Schlange auch hier beachtlich war. Ich beschloss aber, mich hier trotzdem einmal anzustellen, und beim Schneckenrennen zu schauen, ob meine Nummer oder der Automat gewinnen würde. Und der Automat gewann, nach etwas mehr als einer halben Stunde war ich im Besitz eines schmucklosen Zettels mit Barcode, der mir Zugang zu den verschiedenen Bereichen ermöglichen würde.
Ich kaufte ein Ticket der Variante A, in dem neben dem Dom und dem Besuch der darunterliegenden archäologischen Stätten auch die Dachterrassen incl. Aufzug enthalten waren. Im Gesamtpreis von 16 Euro war der Aufzug das Teuerste, wer fit genug ist, kann sich das Geld sparen.
Der Einlass zur Kathedrale verlief nun auch recht zügig. Ich hatte schon im Vorfeld beobachtet, dass kurze Hosen offenbar kein Problem darstellten. Etwas genervt waren allerdings die Soldaten am Eingang, die neben einem oberflächlichen Check auch meine Kameratasche unter die Lupe nehmen mussten.
Der Dom selbst ist imposant, immerhin ist er die drittgrößte Kirche der Welt. Wenn man sich aber von der enormen Wucht des Baus löst, war ich doch etwas enttäuscht. Informationen zu den insgesamt recht spärlichen Kunstwerken fehlen völlig, ich kann nicht beurteilen, ob sich die 6 Euro für einen Audioguide wirklich lohnen. Highlights waren für mich die gigantischen und fein ausgestalteten Glasfenster sowie die Statue des gehäuteten Heiligen Bartholomäus aus dem Jahr 1562. Ebenfalls wenig beeindruckend fand ich die etwas lieblos aufbereiteten archäologischen Ausgrabungen unterhalb der Kathedrale. Extra zahlen sollten hierfür meines Erachtens nur absolute Archäologiefans.
San Siro, der zweite Dom
Mein zweiter Programmpunkt war das Giuseppe Meazza Stadion, das man seit einigen Jahren ebenfalls bequem mit der Metro (Linie M5) erreichen kann. An der Endstation angekommen, landet man erst einmal in einer Betonwüste, in deren Mitte sich das Stadion auftürmt. San Siro, wie das Stadion ursprünglich hieß, ist ein Betonklotz mit markanten Ecktürmen. In dieser Form erbaut für die WM 1990 ist das Stadion mittlerweile deutlich in die Jahre gekommen, aber im Vergleich zu den eintönigen Multifunktionsarenen heute irgendwie individuell.
Mit Stadiontouren hatte ich z.B. im Mestalla in Valencia gute Erfahrungen gemacht, daher buchte ich auch hier eine Tour und ein Besuch im Museum für 15 Euro. Am Eingang gab es Sicherheitskontrollen wie am Flughafen, sogar das Gepäck wurde komplett durchleuchtet. Etwas befremdlich war dann der Besuch im „Museum“, das in einem Container vor dem Stadion untergebracht ist. Viel zu sehen gibt es wahrlich nicht, es besteht im Prinzip nur aus einer Ausstellung von Trikots und manchmal auch Schuhen einiger bekannter Fußballer quer durch die Jahrzehnte. Bei der eindrucksvollen Geschichte der beiden ortsansässigen Vereine Milan und Inter hätte ich mir doch deutlich mehr Bling Bling erwartet.
Nun sollte es also die Führung herausreißen, aber siehe da, es gab nur eine „Self Guided Tour“, das heißt, man bewegte sich entlang einer vorgegebenen Route durch das Stadion. Zuerst ging es durch die Kabinen der beiden Teams, dann auf die Tribüne und schließlich durfte man hinter einer Eckfahne im Innenraum ein kleines Stück des heiligen Rasens betreten. Das war’s. Danach wurde man zielsicher zum Shop geleitet, den ich aber links liegen ließ. Auch wenn das Stadion durchaus eindrucksvoll ist, sollte man sich die Tour vielleicht besser schenken und lieber einmal ein Spiel besuchen. In Italien sind die Stadien nur in den seltensten Fällen ausverkauft.
Pasta bei Papa Francesco
Zurück in der Innenstadt hatte ich dann doch etwas Hunger bekommen und suchte mir ein schattiges Lokal zum Mittagessen. Mir war klar, dass im Umfeld des Domes die Preise durchaus happig sein würden, dafür wollte ich dann aber etwas Leckeres. Vom Dom aus gesehen hinter der imposanten Galleria Vittorio Emanuele II fand ich das Lokal von Papa Francesco, dessen Wirt, möglicherweise Papa Francesco höchstselbst, einer der größten kulinarischen Selbstdarsteller war, die ich je gesehen habe. Seine Spezialität waren Makkaroni, die er vor den Augen der Gäste im Käserad schwenkte und schließlich flambierte. Hierfür forderte er maximale Aufmerksamkeit ein. Ebenso liebevoll tranchierte er ein riesiges, rohes Steak, das er dann auf einer heißen Platte am Tisch der Gäste angrillte. Ansonsten nutzte er jede Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass der Koch im benachbarten Restaurant Mikrowelle heiße, ein Umstand, den er auch durch mehrere Schilder in Sichtweite des Konkurrenten untermauerte (siehe Galerie). Bei dieser Penetranz vermute ich fast, dass die beiden Läden irgendwie unter einer Decke stecken, andernfalls hätte wohl schon längst ein Pferdekopf in Papa Francescos Bett gesteckt…
Ich verschmähte die vom Meister angepriesenen Makkaroni und gönnte mir durchaus leckere Malloreddus Sarda, Pasta aus Sardinien mit verschiedenen Wurstsorten. Auch das Bier war lecker, aber acht Euro für ein Birra Moretti sind schon fast unverschämt, ebenso wie drei Euro für einen Espresso. Aber wie gesagt, mit so etwas hatte ich ja bereits im Vorfeld gerechnet, und immerhin hieß der Koch nicht Mikrowelle!
In der Straßenbahn zum Castello Sforzesco
Ich gebe es zu, ich stehe auf alte Straßenbahnen. Wie die berühmte Linea 28 in Lissabon fährt auch in Mailand eine historische Bahn quer durch die Innenstadt. Da ich schon etwas müde war, setzte ich mich also direkt gegenüber der von außen recht unscheinbaren Mailänder Scala in das klapprige Gefährt und ließ mich erst einmal kutschieren. Weit kam ich nicht, denn schneller als gedacht erreichten wir das Castello Sforzesco, dessen berühmte Ausstellungen montags zwar geschlossen sind, das aber auch von außen durchaus schön anzusehen ist.
Hinter der Burg befindet sich ein großzügig angelegter Park, und so setzte ich mich mit einer erfrischenden Granita erst einmal unter einen Schatten spendenden Baum. So gefiel mir Mailand gleich viel besser!
Über den Dächern der Stadt
Viel Zeit zum Müßiggang blieb allerdings nicht, denn das Highlight des Ausflugs stand noch bevor. Die Schlange am Aufzug zu den Dächern des Doms war überschaubar lang, erneut wurden die Taschen und ich von grimmig dreinblickenden Armeeangehörigen kontrolliert und schließlich bestieg ich den kleinen Aufzug. Die Fahrt ist recht kurz, wer halbwegs fit ist, könnte auch getrost die etwas mehr als 200 Stufen der Treppe nehmen. Mit Kameratasche und Rucksack hatte ich aber keine Lust, mich durch das Treppenhaus zu quetschen.
Die Ausblicke auf den Dachterrassen sind schlicht und ergreifend atemberaubend. In der Abendsonne leuchtet alles und die verspielte Architektur ist wirklich wahnwitzig. Von einem der Dachgiebel ganz oben bieten sich fantastische Ausblicke über die ganze Stadt, aber Vorsicht: Da Dächer nun einmal die Angewohnheit haben, zu beiden Seiten hin etwas abschüssig zu sein, geht es schnell bergab, wenn man sich von den Ausblicken nicht losreißen kann und unaufmerksam wird. Man fällt zwar nicht vom Dom, aber so landete ich auch schnell einmal auf dem Hosenboden, da es doch recht glatt ist.
Wenn die Schlange am Aufzug zu lang ist, kann man natürlich auch zu Fuß heruntergehen. Bei mir ging es aber schnell, und somit ging es wieder den schnellen Weg hinunter.
Im besten Pub der Stadt
Auch in Mailand war ich selbstverständlich auf der Suche nach den heißesten Bierspots. Leider schaffte ich es nicht in den Brewpub von Lambrate. Die einschlägigen Portale waren sich aber alle einig, welchen Ort man keinesfalls verpassen sollte. Lambiczoon liegt etwas außerhalb des engeren Altstadtbereichs (Via Friuli 46), ist aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Hier hat man sich die Liebe zu den Sauerbieren auf die Fahnen geschrieben, und ich verbrachte dort einen wundervollen Abend, bei dem ich die Rückfahrt immer wieder Stunde um Stunde nach hinten verschob. An zwölf Taps gibt es außergewöhnliche Biere vom Fass, in einem Kühlschrank gibt es außerdem die gesamte Palette an belgischer Sauerbierkunst zu erwerben. Ich war hin und weg.
Die Damen hinter der Theke merkten schnell, dass sie es mit einem echten Enthusiasten zu tun hatten, und standen mir mit Rat, Tat und vielen kleinen Probiergläsern zur Seite. Hier merkte man gleich, dass auch hinter der Theke absolute Bierliebhaber standen, und ich freue mich sehr, die beiden am kommenden Wochenende beim Arrogant Sour Festival wiederzutreffen. Neben den fantastischen Bieren gibt es übrigens auch sehr leckere Burger, ich gönnte mir den Orcoporco, bei dem mich sowohl das Fleisch aus würzigem Brät als auch die tolle Lambicsauce voll und ganz überzeugten.
Fazit
So richtig warm bin ich mit Mailand auf meinem Kurztrip nicht geworden. Im Vergleich zum beschaulichen Bergamo war es mir einfach zu hektisch, zu unpersönlich und irgendwie fehlten mir außer dem Dach des Doms die ganz großen touristischen Highlights. Am schönsten fand ich es im Park, wo die Uhr stehen zu bleiben schien und alle irgendwie in den Entspannungsmodus umschalteten. Und natürlich im Lambiczoon, einer Bar, die für mich neben dem Moeder Lambic in Brüssel zu den besten überhaupt zählt. Hier muss ich auf jeden Fall noch einmal hin.