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Eigentlich war das ja alles ganz anders geplant. Entspannt mittwochs nach Bologna fliegen und von da dann zum Arrogant Sour Festival am folgenden Wochenende. Aber dann hat das alles mit den Zügen nach Köln nicht gepasst, und dies, und das, und schwupps saß ich schon am Samstag zuvor im Flieger von Luxemburg nach Bergamo. Eine Planungsänderung, die sich als absoluter Glücksfall erwies.

Der Ryanair-Effekt

Der Flughafen von Bergamo wird von Ryanair gewohnt großzügig als Mailand-Bergamo verkauft, wodurch viele Reisende bestimmt gleich die Shuttlebusse in Richtung der knapp eine Stunde entfernten Modemetropole ansteuern. Der kleine Flughafen ist aber für Reisende, die tatsächlich nach Bergamo wollen, perfekt angebunden. Direkt nach der Landung bewegt sich der Flieger ohne langes Rumgekurve auf die Parkposition, und nach einem kurzen Transfer mit einem Bus und dem Einsammeln der schon vor sich hindrehenden Koffer steht man wenig später vor dem Flughafen. Der Ticketkauf für den Bus in die Stadt ist direkt an der Haltestelle schnell erledigt und zehn Minuten später und knapp 30 Minuten nach der Landung erreicht man den Bahnhof von Bergamo. Hier war für mich Endstation, der Bus fährt aber noch weiter in Richtung Altstadt.  Einfacher geht es wirklich nicht. Dank des irischen Billigfliegers dürfte sich die Anzahl an Touristen in Bergamo durchaus signifikant erhöhen, auch wenn eben viele direkt weiterreisen. Auch ich hatte Bergamo als Reiseziel bis dahin gar nicht auf dem Zettel, ein Glück, dass es mich nun hierhin verschlug.

Partyzone Unterstadt

Bergamo teilt sich gewissermaßen in zwei Teile. Unten die eher moderne Città Bassa und oben die malerisch auf einem Hügel gelegene Oberstadt (Città Alta). Nach meiner Ankunft erkundete ich erst einmal die Unterstadt, und am Samstagabend tobte hier das Leben. Party überall! Und als dann auch die Fans aus dem Stadion kamen, um Atalantas erfolgreichste Saison seit vielen Jahrzehnten zu feiern, gab es kein Halten mehr. Man taucht unmittelbar ein in ein uritalienisches Lebensgefühl und hier hat man im Vergleich zu der eher vom Tourismus geprägten Oberstadt das Gefühl, wirklich mitten unter Einheimischen zu sein. Mitten im Partytreiben war es zur Hauptessenszeit der Italiener zwischen 21 und 23 Uhr auch gar nicht so einfach, einen freien Tisch in einem der Restaurants zu bekommen. Glück hatte ich schließlich in der Pizzeria Sant’Orsola Pizza & Vino, wo ich eine vorzügliche Pizza mit Artischocken und Salami genießen konnte.

Mit dem Funicular in die Oberstadt

Ich liebe Standseilbahnen! Die Fahrt auf die Höhen der Stadt hat mir schon in Porto und Lissabon hervorragend gefallen und auch hier macht die vergleichsweise kurze Fahrt in die Oberstadt richtig Spaß. Die einfache Fahrt kostet 1,30 Euro, Tickets gibt es an einem Automaten und einem Schalter an der Station. Innerhalb der Oberstadt gibt es zudem noch einen weiteren Funicular, der einen zum Castello di San Vigilio bringt, von wo man einen fantastischen Blick auf die Stadt und das grüne Umland hat.

Tipp: Statt der Einzeltickets kann man für 3,50 Euro eine Tageskarte erwerben, deren Preis man ja mit drei Fahrten schon wieder raus hat und die für den gesamten innerstädtischen Nahverkehr gilt!

Tritt man aus der „Bergstation“ am Fuße der Altstadt und hält sich links, führt eine kleine Straße mit Kopfsteinpflaster den Berg wieder ein Stück hinunter. Von den gigantischen Wallanlagen rund um die prächtige Porta San Giacomo hat man einen wunderbaren Blick über die Unterstadt und die malerische Umgebung Bergamos mit vielen Bergen im Hintergrund. Ich umrundete die Altstadt zunächst einmal entlang der Befestigung und genoss den Historic Gran Prix, über den ich noch einmal gesondert berichtet habe (zum Artikel). Man landet so quasi automatisch an der Piazza della Citadella, von wo aus man die Hauptstraße entlang sanft abwärts wieder zur Funicularstation in die Innenstadt kommt, und wo wenige Meter entfernt auch die Seilbahn zum Castello beginnt.

In der ganzen Stadt standen zum Zeitpunkt meines Aufenthalts Klaviere herum, auf denen man spielen konnte. Es war erstaunlich, wie häufig diese auch genutzt wurden und wie hoch die musikalische Qualität war. Vor allem viele Kinder klimperten nicht einfach so herum, sondern spielten durchaus gut, was auf eine gute musikalische Früherziehung schließen lässt. Besonders die Akustik in der Seilbahnstation ist hervorragend, hier gab es regelmäßig richtige kleine Konzerte zu hören, während man auf den Wagen wartete.

Osteria della Birra

Da es sich ja zuvorderst um eine „bierologische“ Reise handelte, war die Osteria della Birra mein erster Anlaufpunkt in Sachen Bier. Hier hat die ortsansässige Craft-Brauerei Elav ihren Ausschank, das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Auf der schön an der Piazza Lorenzo Mascheroni gelegenen Terrasse befindet sich gleich eine Tafel, mit den derzeit am Hahn befindlichen Bieren, die ich bei mehreren Besuchen genüsslich abarbeitete. Das Flaggschiffbier der Brauerei ist das Punk Bitter, ich dagegen bevorzugte das etwas kräftigere Indie Ale. Auffallend war, wie genau die Brauer die verschiedenen Bierstile getroffen haben. So schmeckte auch das Beat Weizen tatsächlich wie ein typisch deutschen Weizenbier.

Tipp: Nicht nur für Blogger und soziale Netzwerker interessant: In Bergamo gibt es ein gut funktionierendes und kostenfreies Wlan-Netz, das man nach einmaliger Anmeldung seinen gesamten Aufenthalt nutzen kann!

Natürlich blieb wieder einmal nicht unbemerkt, dass hier kein „normaler“ Tourist sein Bier trinkt, sondern ein tiefer gehendes Interesse dahintersteckte. So wurde mir eine gerade erschienene und streng limitierte Special Edition ans Herz gelegt, welche natürlich gleich getestet werden musste. Das Sex and the Chilli ist ein Chilli und Kürbis Porter. Auf die Kombination muss man auch erst einmal kommen. Man war bei der Rezeptur aber sehr vorsichtig. Die Chilli war vor allem im Geruch zu erkennen, aber besondere Schärfe war dem Bier nicht gegönnt. Zum Glück war auch der Kürbis nicht sehr präsent, damit kann ich mich nun einmal überhaupt nicht anfreunden. So blieb ein angenehm malziges Porter, mit einer sehr dezenten Würze.

In der winzigen und eigentlich nur aus verschiedenen kleinen Öfen bestehenden Küche kamen dazu durchaus interessante Gerichte. Ich probierte zum Bier eine kleine Platte mit regionalem Käse und Schinken, die für eine Person schon ziemlich groß ist, aber vorzüglich mundete. Außerdem gönnte ich mir einen Biermuffin, zu dem es verschiedene Soßen gab. Der Service war auf Zack und wirklich sehr nett, ich fühlte mich in der Osteria della Birra bestens aufgehoben.

Piazza Veccia

Im Zentrum der Altstadt befindet sich auch das Herz Bergamos. Die Piazza besteht aus einem hübschen Ensemble alter Bausubstanz verschiedener Epochen, der hinten etwas zurückgesetzte Dom ist schlicht, aber passt gut in das Gesamtbild. Hier treffen sich am Abend die Bewohner der Oberstadt, Kinder spielen Fußball – es eröffnet sich ein fast schon klischeehaftes Italienbild.

Die Piazza war schon im Mittelalter das Herz der Stadt und besteht aus heute noch hervorragend erhaltenen Gebäuden. Das älteste ist der Palazzo della Ragione aus dem Jahr 1198. Auf der dem Dom gegenüberliegenden Seite steht der prachtvolle Palazzo Nuovo aus dem 16. Jahrhundert, in dem sich heute die Stadtbibliothek befindet. Rund um den Platz liegen einige gemütliche Restaurants und Bars, viele Menschen sitzen aber auch einfach nur auf den Stufen, und die Kinder spielen am Brunnen in der Mitte des Platzes.

Stadt im Grünen

Verlässt man den Altstadtkern und besucht entweder das Castello oder das heute zur Universität gehörende ehemalige Kloster Monastero di S. Agostino, blickt man von der Höhe aus auf die wunderbare grüne Hügellandschaft des Umlands. Eine reine Idylle mit kleinen Ortschaften, Weinbergen und viel Natur. Wem der Trubel in der Altstadt dann doch einmal zuviel wird, der geht ein paar Schritte, setzt sich auf eine Bank und genießt die Aussicht. Erholung pur.

Tipp: Innerhalb der Stadt gibt es zahlreiche kleine Brunnen, an denen man sich mit Trinkwasser versorgen kann. Man kann sich also den Kauf von auf Dauer teuren und wenig umweltfreundlichen Wasserflaschen sparen, sollte aber immer eine im Gepäck haben!

Die Unterkunft

Als Basis für meinen Aufenthalt hatte ich mir bewusst eine Unterkunft in Bahnhofsnähe ausgesucht. Das B&B My Room in Town (zu buchen z.B. über Booking.com) war in etwa 15 Minuten zu Fuß vom Bahnhof aus zu erreichen. In einem größeren Wohnkomplex gelegen befinden sich dort nur wenige Zimmer (ich glaube drei), wovon die Doppelzimmer sich ein Gemeinschaftsbad teilen. Mein großzügiges Einzelzimmer hatte dagegen den Luxus eines eigenen Bads und dazu auch noch einen kleinen Balkon, den ich abends gerne noch nutzte. Die Restaurants der Unterstadt waren in knapp zehn Minuten fußläufig zu erreichen, die Talstation des Funiculars in gut zwanzig Minuten. Die Gastgeber waren überaus nett, der Kontakt und der Check-in unkompliziert und alles hat hervorragend funktioniert.

Culinaria

Neben der Osteria della Birra habe ich noch ein paar andere Bars und Restaurants ausprobiert. Man dürfte keine Probleme haben, das Passende für sich zu finden. Bierfreunde sind neben der Osteria auch im Ca Del Fasa’ bestens aufgehoben. Hier gibt es einige schöne belgische Biere am Hahn sowie ein paar lokale Biere.

Direkt an der Hauptstraße in der zum Glück autofreien Altstadt sitzt man ausgesprochen gemütlich bei Da Franco. Hier konnte ich eine der Spezialitäten Bergamos genießen. Die Casoncelli alla Bergamasca sind ein vergleichsweise simples Gericht aus mit Fleischbrät gefüllter Pasta, die mit geschmolzener Butter, Speck und Salbei angerichtet werden. Lecker!

Die vielleicht bekannteste Spezialität Bergamos ist natürlich eine Süßigkeit. Polenta e Osei hat mit Polenta lediglich die Farbe gemein. Der knallgelbe süße Kuchen besteht aus einem Rührkuchen in Zuckerkruste, in dem sich eine nussige Schokofüllung befindet. Auf der Spitze befindet sich der namengebende Vogel aus Marzipan. Mir insgesamt zu mastig und süß, aber eine wirklich besondere Spezialität in einer an kulinarischen Besonderheiten reichen Gegend.

Verpasst habe ich es, einen der kulinarischen Hotspots Bergamos aufzusuchen, obwohl ich geschätzt zehnmal daran vorbeigelaufen bin. Im La Marianna wurde angeblich das Stracciatella-Eis erfunden, leider sind die Bewertungen in den einschlägigen Bewertungsportalen heute eher durchwachsen. Probieren will ich das beim nächsten Mal aber auf alle Fälle!

Fazit

Bergamo war für mich die große positive Überraschung meines Italientrips. Eine wunderschöne Stadt, ohne die ganz großen Touristenströme und daher sehr entspannt. Normalerweise brauche ich immer ein wenig Zeit, bis ich mich an den Rhythmus einer Stadt gewöhne, hier fühlte ich mich aber von der ersten Minute an pudelwohl. Dank der günstigen Flugzeiten von Luxemburg aus ist es durchaus möglich, dass ich hier dieses Jahr noch einmal für ein Wochenende einschwebe.

Tipp: Die Regionalbahnen in Italien sind pünktlich und sehr günstig. Von Bergamo aus bietet sich ein Tagesausflug ins etwa 50 Minuten entfernte Mailand an. Was es dort zu sehen gibt, könnt ihr hier lesen!

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