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Individuelle und unabhängige Reisedokus sind im Kino derzeit ziemlich in. Das hat zum einen mit der mittlerweile zu günstigen Preisen und in guter Qualität verfügbaren Filmausrüstung zu tun, zum anderen aber mit einem offenbar ziemlich weit verankerten Fernweh, dem ich mich ja wie bekannt nun auch nicht wirklich entziehen kann. So kam nun nach „Expedition Happiness“ mit „Weit.“ ein zweiter filmischer Reisebericht in die Trierer Kinos, der deutlich andere Schwerpunkte setzt, und mir wesentlich besser gefallen hat.

Pyrenäen, April 2016 © weitumdiewelt.de

Es war ein auf den ersten Blick verwegener Plan, als Patrick und Gwen im Frühjahr 2013 das Nötigste in ihre Rucksäcke packten, und vom Schwarzwald aus in Richtung Osten aufbrachen, um am Ende aus dem Westen kommend genau dort wieder anzukommen. Einmal um die Welt, mit einer festen Regel: Flugzeuge sind verboten! So bewegen sich die beiden zu Fuß, per Anhalter und auf dem Schiff immer weiter in eine zunehmend fremdartige aber faszinierende Welt voller Gastfreundschaft und neuer Eindrücke.

Über Bulgarien und den Balkan geht es bis auf den Roten Platz in Moskau, von dort über den Kaukasus bis in den Iran. Gerade dort spürt man, wie die Vorbehalte und Ängste durch die Begegnung mit den Menschen nach und nach aufgelöst werden, bei allen kulturellen Unterschieden bleiben die Menschen eben Menschen, deren Herz man mit einem Lächeln und einem offenen Wesen immer wieder erobern kann.

Die Situation verschärft sich an der Grenze zu Pakistan; das Bereisen dieses krisengeschüttelten Landes hatte das Paar bis zuletzt vor sich hergeschoben, zu groß waren die Ängste vor einem Land, das in den Medien fast ausschließlich durch Terror und Krieg charakterisiert wird. Die zweifellos vorhandenen Gefahren werden im Film thematisiert, denn Ausländer werden zunächst unter Polizeischutz durch ein Land gefahren, das die beiden schließlich durch die Begegnung mit den Menschen tief in ihr Herz schließen.

© weitumdiewelt.de

Auf dem Weg verändert sich die eigene Wahrnehmung elementar. Das Gefühl für Weite verschiebt sich, ebenso das Gefühl für Zeit. Wenn an der Straße im Nichts auf eine Mitfahrgelegenheit gewartet wird, dann das einzige Auto in Stunden aber ohne anzuhalten vorbeibraust, oder man mehrere Tage auf ein Schiff warten muss, sorgt das zwar für kurzzeitigen Unmut, doch die Unbillen einer solchen Reise ertragen die beiden mit einer zunehmenden Gelassenheit und Fröhlichkeit, die auf ihre Umwelt abzufärben scheint. Wenn nicht im Zelt genächtigt wird, eröffnet die freundliche Art der Reisenden ihnen die Türen der Einheimischen, im Gegenzug bringen sie sich ein wo sie können und unterstützen die Einheimischen gegen Kost und Logis.

Von Pakistan führt die Reise nach Indien, Nepal, das Karakorum-Gebirge, China und die Mongolei. Im sibirischen Irkutsk wendet sich dann das Schicksal, als Gwen schwanger wird, und der Fortgang der Reise auf der Kippe steht. Doch auch wenn die Schwerpunkte sich verschieben, an Aufgeben verschwenden Gwen und Patrick keinen Gedanken. So wird der Plan gefasst, das Kind in Mexiko zur Welt zu bringen. Und danach die Reise zu dritt fortzusetzen.

„Weit.“ ist ein faszinierender Film mit zwei liebenswerten, positiv Verrückten, die ihren Weg gehen und auf diesem feststellen, dass es um die Menschheit jenseits der Weltpolitik dann doch nicht ganz so schlecht bestellt ist, wie es uns die täglichen Nachrichten vermitteln. Im Gegensatz zu den beiden Reisenden in „Expedition Happiness“ stehen weniger die eigenen Befindlichkeiten im Mittelpunkt des Films, sondern die Begegnungen mit Menschen rund um den Erdball. Und Gwen und Patrick kommen dabei wesentlich natürlicher rüber, vom extrem geringeren Budget einmal ganz abgesehen. Auch wenn ich mir eine solche Reise nicht zutrauen würde, ist „Weit“ doch ein Film, der Fernweh weckt, und mich in meinen Plänen bestärkt, die Welt weiterhin mit großer Neugier abseits der ausgetretenen Touristenpfade zu erkunden.

„Weit.“ läuft auch noch in der kommenden Woche im Trierer Broadway! Auf der Webseite und dem Videokanal von Patrick und Gwen kann man sich außerdem Porträts einiger Menschen ansehen, die den beiden auf ihrer Reise begegnet sind, und es gibt noch weiteres Material, das es nicht in den Film geschafft hat!

Zentralasien, Juni 2013 © weitumdiewelt.de

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