Mit „Nichts ist neu“ präsentieren Love A ihr mittlerweile viertes Album. Muss man ja eigentlich nicht kaufen, wenn da zwei Jahre nach dem großartigen „Jagd und Hund“ Album nix Neues zu hören sein soll. Oder ist das wieder nur das gewohnte Understatement nach dem Motto „wir proben eh nie, musikalisch sind wir auch nicht dolle und erst die Texte…“, was man immer mal wieder von Sportkamerad Mechenbier auf der Bühne erzählt bekommt? Oder geht es um etwas ganz anderes?
Hinzuhören lohnt sich natürlich wie immer, denn die mittlerweile größtenteils Exiltrierer klingen an vielen Stellen etwas anders als zuvor, auch wenn die Stärken des Quartetts unangetastet bleiben. Grund genug, sich Nichts ist neu mal von Anfang bis Ende anzuhören!
Nichts ist leicht
Die ersten Takte schließen fast unmittelbar an den Vorgänger Jagd und Hund an, man fühlt sich direkt im Soundkleid von Trümmer zu Hause. „Und ich ändere mich so gar nicht! Weil das überhaupt nichts bringt!“ Love A, unverkennbar. Und das Video ist auch sehr schön!
Nachbarn II
Aber das mit dem nicht ändern wollen ist natürlich Quatsch, was man mit Nachbarn II eindrucksvoll demonstriert. Düsterer Wavepop, Jörkks Gesang dabei mit ordentlich Hall unterlegt, der seine Texte noch etwas eindringlicher und böser unters Volk bringt. Beim treibenden Refrain klingt man dann doch wieder etwas nach Gewohntem, doch schon hier hatte mich das Album voll gepackt.
War klar
„Irgendwann war klar, dass was falsch läuft, ganz, ganz falsch läuft, trotz einem guten Jahr!“ Beziehungsdrama, Gesellschaftskritik oder Selbstreflexion über das eigene Epigonentum? Die vieldeutigen Texte machen neben der fesselnden Musik für mich einen der wichtigsten Reizpunkte aus, und auch hier lohnt es sich, genauer hinzuhören, und sich auf das Spiel mit der Mehrdeutigkeit einzulassen.
Die anderen
Was für ein cooler Videoclip mit einem tollen Claus Lüer (Knochenfabrik, Chefdenker, Casanovas Schwule Seite), doch der Song hat mich erst einmal nicht so recht gepackt. Auch hier bleibt textlich offen, ob es sich um ein Künstlerdrama handelt, bei dem sich der kreativ Schaffende verbiegen muss, um Business und Publikum zufriedenzustellen, oder um eine Beziehungsbewältigung. Kommt ja meistens irgendwie auf dasselbe raus. Im ersten Fall würde ich mich eher an Plastik Fressen von Echtholzstandby halten, dem letzten Großwerk von Jörkks Akustikcombo Schreng Schreng und La La. Aber auch wenn sie den Fuß mal etwas vom Gas nehmen, sind Love A immer noch unverkennbar.
Unkraut
Ein Lied über die Arschlochmenschen, düster, wütend, textlich schneidend. Hier kotzt man sich mal richtig aus, daher passt auch der kalte, aber intensiv nach vorne gehende, wavige Sound sehr gut. Geiler Song.
Treeps
Das wird ein echter Livekracher. Schnell, kraftvoll und typisch Love A. Dazu starke, bildgewaltige und tief resignierte Lyrics. Großartig.
Sonderling
Im Kern des Albums hat man nach Unkraut und Treeps nun mit Sonderling einen weiteren, völlig andersartigen Song. Mit diesem musikalischen Triumvirat ist man im Epizentrum von Nichts ist leicht angekommen. Verspielte Gitarren, die dann aber doch wieder den Fokus finden und in einem herrlich verschrobenen Refrain münden.
Löwenzahn
Ein Text für den Leistungskurs Deutsch, ich habe (noch) keine Idee, was ich daraus machen soll. Musikalisch mag ich den klagenden Gesang in der Strophe nicht so gern, auch der Refrain packt mich nicht so recht. Mal sehen, was da beim wiederholten Hören noch so kommt.
Kanten
Nicht wirklich Sprit sparend wird hier Gas gegeben, stramm abgebremst, um dann wieder mit heulendem Motor Fahrt aufzunehmen. Gesang und Text stehen hier noch einmal einen Tick deutlicher im Vordergrund, ein Old School Love A Song, der auch auf den anderen Alben seinen Platz gefunden hätte, ohne exotisch zu wirken.
Monaco
Ich bin alt und verbinde mit Monaco natürlich neben Autorennen, Steuerflucht und den Geissens natürlich auch Monaco Franz, den ewigen Stenz, dem hier ein kleines Denkmal gesetzt wird. So richtig warm werde ich hier weder mit Lyrics noch Sound, auch hier braucht es vielleicht noch ein wenig Zeit.
Weder noch
Spießbürgertum, Borniertheit und Vorurteile – der Nährboden, der Rechtspopulisten Aufschwung verschafft und Fremdenhass und Nationalismus sprießen lässt. Alltagsrassismus aus Dummheit und Verbohrtheit, der wütend-resignierte Ton, den Love A hier anschlagen, entspricht meiner eigenen Gefühlslage absolut.
Verlieren
„Am Ende des Tages sind wir alle gefickt…“, „man gewöhnt sich dran, einfach immer zu verlieren.“ Hach, was für ein schöner Abschluss. „Wir stolpern einfach weiter wie bisher.“ Am Ende des Tages gibt es kein Licht am Horizont, Oder doch?
Für Love A geht es irgendwie auch weiter wie bisher, nämlich langsam, aber beständig nach oben. Die Lokalitäten sind ausverkauft, die Platte wird allenthalben in den Himmel gelobt, musikalisch ist Nichts ist neu eben genau das, was es vorgibt nicht zu sein. Nicht neu im Sinne eines radikalen Soundwechsels, aber eine deutliche Weiterentwicklung und Frischzellenkur ist unverkennbar. Gerade die Unkraut-Treeps-Sonderling Trilogie in der Mitte des Albums zeigt, wie abwechslungsreich eine Love A Platte klingen kann.
Die Band funktioniert bei aller Verspieltheit präzise wie ein Uhrwerk, variabel, aber konzentriert und dann irgendwie doch immer auf den Punkt. Jörkks Texte sind gewohnt außergewöhnlich; als Schreiber von terroristischen Bekennerschreiben sollte man ihn lieber nicht engagieren, zu eindeutig ist der linguistische Fingerabdruck. Wenn ich zur Vorbereitung auf Konzerte uralte Ox-Kritiken lese, dauert es üblicherweise allerhöchstens zwei Sätze, bis der Mechenbier-Duktus klar erkennbar wird. Er hat etwas zu sagen, ohne platt zu werden, er behält die Deutungshoheit, ohne sich hinter beliebigen Allgemeinplätzen zu verstecken.
Somit ist Nichts ist neu für mich bislang die stärkste Platte des Jahres. Nachdem ich mir beim Antattack Festival in Neunkirchen bereits den ein oder anderen Liveeindruck holen konnte, freue ich mich bereits wie Bolle auf das Summer of Love A Open Air am 1. Juli im Trierer Exhaus (mit Egotronic, Gurr, Ludger &
magret.). Und in meiner alten Heimat Koblenz spielen sie ja demnächst auch noch… Der Sommer wird gut, stolpern wir einfach mal weiter wie bisher.