„Nie daran geglaubt“ haben Feine Sahne Fischfilet, dass sie irgendwann einmal Headlinershows in den großen und renommierten Hallen des Landes spielen und ausverkaufen würden. Nun, sie wurden eines Besseren belehrt. Locations wie das E-Werk in Köln oder die Columbiahalle in Berlin waren ratzfatz ausverkauft und die etwas kleinere, dafür aber mindestens ebenso legendäre Grosse Freiheit 36, meldete kurzerhand an zwei Abenden „Sold Out“. Die Mecklenburger sind angesagt wie nie, und auch in Hamburg feierten sie zwei denkwürdige Abende.
Die Grosse Freiheit 36
Mitten im Herzen von Sankt Pauli unweit der Reeperbahn, inmitten der leuchtenden Neonreklamen des Kopulationsgewerbes, liegt mit der Grossen Freiheit ein geradezu sagenumwobener Musikclub, in dem man die Tradition förmlich spüren kann. 1986 mit einem Konzert von Rory Gallagher eröffnet, gaben sich seitdem die Stars die Klinke in die Hand. Das Konzert hier ging fast noch als kleiner Clubgig durch, zumindest empfindet man den Raum als eng, man ist nie wirklich weit von der Bühne weg und der Oberrang gibt den ganzen noch etwas Extraatmosphäre. Dazu noch eine ausgezeichnete Akustik, die durch das ganze Holz im Raum offenbar besonders begünstigt wird. Auch die Getränkeversorgung lief insgesamt recht entspannt, Bars an beiden Seiten und hinten sorgten für genügend Möglichkeiten, sich mit Getränken zu versorgen, die auch dringend nötig waren, denn das ganze war eine schweißtreibende Angelegenheit. Zumindest wenn man nicht direkt unter der Lüftung stand, die einen erst einmal mit angenehmer Kühle versorgte, dann aber zunehmend schockfrostete. Aber allzu lange blieb man eh nicht auf einem Fleck stehen…

Bull Brigade
Bull Brigade
Als Support für ihre „Nie daran geglaubt“ Tour haben sich FSF Zeckenbands eingeladen, die im Ausland unter manchmal schwierigen Bedingungen für ihre Sache einstehen, und die man hier nicht immer auf dem Zettel hat. Gefreut hätte ich mich über „The Movement“ aus Dänemark, die den Abend in Berlin eröffneten, in Hamburg übernahm diesen Job Bull Brigade aus Turin. Und die machten ihre Sache hervorragend. Geradliniger, kampfeslustiger Punkrock, bei dem mich die italienischen Texte wirklich interessiert hätten. „Fuck Pegida“ verstand man natürlich, aber dennoch erweckten die Jungs den Eindruck, als hätten sie wirklich etwas zu sagen. Nett war es auch, dass Monchi die Vorgruppen persönlich ansagte, ich glaube als Support von Feine Sahne muss man sich über mangelnde Fürsorge keine Gedanken machen.
Feine Sahne Fischfilet
Nach ein paar einleitenden Punkrockklassikern aus den Boxen wurden Fotos aus den ganz frühen Jahren der Bandgeschichte auf einen weißen Vorhang projiziert, ein stimmungsvoller Einstieg für ein mitreißendes Konzert. Zum Opener Für diese eine Nacht fiel der Vorhang und gab den Blick frei auf eine Band, der man das Glück über diese Tour im Gesicht ansah. Entsprechend motiviert ging man zur Sache und zwei Stunden lang reihte sich fast ohne Verschnaufpause ein Hit an den anderen.
Größere Konzerte dieser Art eignen sich natürlich auch sehr gut, um Werbung für die gute Sache zu machen und wie gewohnt Position zu beziehen. Hier natürlich in einer Art linken Wohlfühloase, legte man den Fokus auf kleinere Projekte, die Unterstützung benötigen. Schon im Vorraum sammelten die Leute vom Demokratiebahnhof aus Anklam, wo Feine Sahne vor Kurzem noch ein Konzert mit Marteria und Campino aus dem Boden gestampft hatten. Außerdem erbat man Unterstützung für den NSU Watch, der seit Jahren den ermüdenden Prozess begleitet und hinterfragt (Links zu Spendenseiten am Ende).
Für die Band war es vom Gefühl her fast ein Heimspiel, soviel Familie, Freunde und alte Weggefährten waren offenbar am Start. Als sie sich am Sonntag zum Abschluss dann noch von ihrem Tontechniker und Freund Mecke verabschiedeten, der die Band verlässt, flossen dann sogar ein paar Tränen, aber die dürften bei einigen alkoholischen Getränken im Anschluss schnell versiegt sein. Mit diesen versorgte die Band schon während des Konzerts die ersten Reihen, Berührungsängste kennen die Jungs auf jeden Fall nicht.
Über das Konzert selbst muss ich gar nicht viel schreiben, das habe ich bei anderen Gelegenheiten ja schon ausführlich getan. Mittlerweile habe ich Feine Sahne schon einige Male gesehen, als Support der Broilers, im kuschlig-kleinen Gebäude 9 in Köln, im Dillinger Römerhalle oder Open Air im Exhaus, die Konzerte muss man einfach gespürt haben, die Musik ist live fast so etwas wie der Soundtrack zu einem geilen Abend, wo es um mehr geht, als um Musik. Somit war es auch kein bisschen langweilig, die vermeintlich gleiche Show zweimal an einem Wochenende zu sehen, denn jedes Konzert ist anders, pulsiert anders, unterschiedliche Menschen um einen herum geben dem Abend eine andere Richtung. Lange Rede kurzer Sinn: War wieder gut.
Und wie gut es ist, mit Einheimischen unterwegs zu sein, hat sich danach gezeigt. Der Absacker im Clochard mitten auf der Reeperbahn war der perfekte Abschluss, was für ein herrlich räudiger Punkerschuppen!