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Placebo begleiten meinen musikalischen Weg nun schon sehr lange, auch wenn ich nie ein Hardcorefan geworden bin. Aber die Tour zum 20-jährigen Jubiläum wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen, und so machten wir uns auf in die Galaxie nach Amneville. Die Halle in der Nähe von Metz habe ich in besonderer Erinnerung, denn dort hatte ich im Jahr 2003 die Ehre, den großen David Bowie sehen zu dürfen. 

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Was mir ebenfalls von damals noch in Erinnerung geblieben ist, ist das Chaos auf den Parkplätzen und auch diesmal standen wir schon bei der Anfahrt mitten im Stau. Wir schafften es aber überpünktlich in die Halle, wo wenig später The Joy Formidable ihren Auftritt begannen. Das Trio um Sängerin und Gitarristin Ritzy Bryan überzeugte mit solidem Indierock, dessen Songs an einigen Stellen ordentlich ausuferten und so recht experimentell klangen. Was sofort auffiel, war der gute Sound, von dem auch Placebo in der Folge profitierten.

The Joy Formidable, Le Galaxie Amneville, Nov. 2016

The Joy Formidable

Der Auftritt des Headliners begann mit einer Referenz auf den kürzlich verstorbenen Leonard Cohen, dessen Einfluss auf Placebo durchaus spürbar ist. Darauf folgte eine Überraschung, denn bevor die Musiker die Bühne betraten, flimmerte das erst kürzlich wiederentdeckte und ziemlich verrückte Video zu Every You Every Me aus dem Jahr 1998 über die Leinwände. Man braucht schon einige Eier in der Hose, um zur Jubiläumsshow einen der größten Hits der Bandgeschichte nur aus der Konserve zu präsentieren.

Mit Pure Morning begann dann die Geburtstagsparty, die über 25 Songs in mehr als zwei Stunden einmal quer durch die Bandgeschichte führen sollte. Die als Trio gestartete Band besteht im Kern immer noch aus Sänger und Gitarrist Brian Molko und Multiinstrumentalist Stefan Olsdal, hinter denen eine vierköpfige Band für ordentlich Druck sorgte. Die Stimme Brian Molkos ist einzigartig und berührt mich immer noch sehr, der glasklare Sound transportierte wunderbar die Emotionalität der Songs und glücklicherweise hatte der als schwierig geltende Star an diesem Abend verhältnismäßig gute Laune. Obwohl er fließend Französisch spricht, hielten sich längere Ansprachen an das Publikum in Grenzen, was ich persönlich allerdings eher gut fand, da die Dramaturgie des Abends so vollauf gewahrt blieb.

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Nach einem eher rockigen Beginn konzentrierten sich Placebo im Mittelteil auf melancholischere Stücke, die teilweise auch extra zur Tour umarrangiert wurden. Ein echter Gänsehautmoment war Without you I’m Nothing, ein Song, der gemeinsam mit David Bowie entstand, weshalb auf den Leinwänden Fotos gezeigt wurden, die Molko und Bowie beim fröhlichen Plausch zeigten. Mit dem theatralischen Lady of the Flowers, einem von fünf Songs des Debütalbums aus dem Jahr 1996, endete dieser Teil, und Brian Molko betonte, dass nun die Geburtstagsparty starten könne. Und es hieß Vollgas, mit For What It’s WorthSlave to the Wage, Special K, dem grandiosen Song to Say Goodbye und The Bitter End endete das reguläre Set ohne Atempause, das war ganz großes Tennis.

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Irgendwie schienen die Zuschauer von der Kraft der letzten halben Stunde erschlagen worden zu sein, denn so recht forderte kaum einer eine Zugabe. Die kam natürlich zum Glück trotzdem, und mit einer recht ruhigen Version von Teenage AngstNancy Boy und Infra-Red gab es noch drei absolute Klassiker zu hören. Zum Abschluss gab es mit dem Kate Bush Cover Running Up That Hill noch einen tollen Rausschmeißer für ein beachtliches Konzert einer großen Band.

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Auch wenn man meines Erachtens im Mittelteil etwas hätte kürzen können, haben Placebo auf ihrer Jubiläumstour eindrucksvoll bewiesen, dass sie aus einem Repertoire schöpfen können, das sowohl hochklassig als auch abwechslungsreich und manchmal sogar sehr bewegend ist. Brian Molko und Stefan Olsdal stehen nahezu gleichberechtigt nebeneinander auf der Bühne und bilden allein optisch einen schönen Gegensatz. Auf der einen Seite der riesige Schlacks Olsdal, der mal Bass, mal Gitarre und mal Piano spielt, auf der anderen Seite der kleine große Charismatiker Molko, dessen Bühnenpräsenz an guten Tagen wie am Samstag ein Konzert ganz alleine tragen kann. Das Bühnen-Setup fand ich persönlich sehr gelungen, nicht überladen, aber mit schönen Effekten, vor allem durch die beweglichen Monitore an der Decke. Somit sah man auf dem Weg aus der Halle in viele glückliche Gesichter, wovon sich einige allerdings schnell auf der Suche nach dem eigenen Auto in große Fragezeichen verwandelten. Der Weg vom Parkplatz war erwartungsgemäß chaotisch, aber als wir uns an den typisch französischen Drängel- und Blockierstil gewöhnt hatten, und die nötige Dreistigkeit an den Tag legten, klappte das auch irgendwie.

Weitere Konzertberichte gibt es hier!

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