Dem Borefts Beer Festival bei der Brauerei de Molen im kleinen Städtchen Bodegraven eilt ein Ruf wie Donnerhall voraus. In diesem Jahr fand es bereits zum achten Mal statt. Die Auswahl der anwesend Brauereien ist exzellent, das Niveau der Biere unfassbar hoch und die Atmosphäre einzigartig. So überlegte ich nur kurz, als mich die Bloggerkollegen von den Hopfenjüngern fragten, ob ich sie nicht begleiten wolle.
Strategisches Trinken
Und tatsächlich ist es keine schlechte Idee, wenn man sich Leuten anschließt, die die örtlichen Gegebenheiten bereits kennen. So legten wir uns für den Freitag den Plan zurecht, dass ein Teil der Gruppe erst einmal einen strategisch günstig gelegenen Tisch okkupiert (Sitzgelegenheiten waren insgesamt aber reichlich vorhanden), während sich ein anderer Teil schnellen Schrittes auf den Weg zur etwas abseits liegenden Mühle macht, wo Brewdog und Cigar City ihre Biere ausschenkten. Der Einlass um 12 Uhr mittags wurde von einer bereits recht stattlichen Besucherschar sehnsüchtig erwartet, der traditionelle Countdown entsprechend frenetisch abgefeiert.
Die Strategie war goldrichtig, denn ich weiß nicht, wie lange Cigar City ihr legendäres Hunahpu’s Imperial Stout verfügbar hatte, ein Bier, das unzählige Bierfans geradezu sehnsüchtig erwarteten. Ein unglaublich dichtes, zähflüssiges Gebräu, mit toller Aromenvielfalt und perfekter Balance. Aber vielleicht war die Erwartungshaltung zu hoch, in meine Top 5 des Festivals schaffte es Hunahpu’s nicht. Neben diesem gönnten wir uns noch das Jai Alai, ein richtig starkes IPA.
Auch ich war vergleichsweise gut vorbereitet, und hatte mir einen kleinen Schlachtplan zurechtgelegt. Letztendlich war dieser recht gut mit dem der Hopfenjünger kompatibel, die bestens präpariert mit Verkostungsplatzsets angerückt waren, und gerade zu Beginn ein erstaunliches Tempo vorlegten. Ich gewöhnte mich auch recht schnell an die „Politik der kleinen Schlucke“, wodurch man auch ohne den völligen finanziellen Ruin das Pensum bewältigen konnte. Zusammen mit Dennis von maennerabend.info und Paul vom UK Craft Beer Forum hatten wir eine super Runde mit allerhöchster Bierkompetenz!
The trend is your friend: Sauerbiere!
Beim Studium der Bierliste stach bereits ein Thema hervor, dem ich nun etwas genauer auf die Spur kommen wollte: Sauerbiere! Mit Alvinne aus Belgien und Cascade Brewing aus Portland, Oregon, waren zwei der richtig großen Macher der Sauerbierfraktion am Start und es ist durchaus bezeichnend, dass Alvinne der erste Stand war, der am späten Samstagabend vermeldete, dass man komplett ausgetrunken sei. Wir waren gerade einmal eine gute Stunde vor Ort, als wir nahezu das gesamte Bierportfolio von Cascade durchprobiert hatten, ein Kracher jagte förmlich den nächsten. Strawberry, Cranberry, Elderberry, ein kirschiger Kriek, perfekt eingebundene Früchte und Aromen in einem sauer-frischen Gewand, das ist einfach toll gemacht. Richtig verrückt wird es bei den fassgereiften Bieren, das ist ganz große Bierkunst. Vlad the Impaler zum Beispiel ist ein Blend aus Quadrupels und Triples, der in Eichen- und Bourbonfässern reift und dort noch einmal speziell gepimpt wird. Ein Bier, für das mir fast die Worte fehlen, grandios und mit 10,6 % Alkohol, den man aber nie in dieser Höhe vermuten würde.
Noch einen Tick stärker fand ich das Manhattan NW, ein Blend aus Quads und Ales, die bis zu zwei Jahre mit Sauerkirschen und Aprikosenkernen in Bourbonfässern reifen. Auch hier sind die 11,3 % kaum spürbar, das Bier ist frisch, aromatisch, alles ist perfekt eingebunden. Wer auf Blaubeeren steht, ist bei Shrieking Violet gut aufgehoben, auch hier wieder ein Blend, der in Weißwein und Bourbonfässern für 18 Monate reift, und dort mit frischen Blaubeeren angereichert wird. Die Liste könnte man hier noch lange fortsetzen, wer einmal die Chance hat, eines der Biere zu bekommen, sollte diese unbesehen beim Schopfe packen, auch wenn man ein paar Scheine auf den Tisch legen muss.
Die Biere von Alvinne aus Belgien erreichten zwar nicht ganz das Cascade-Niveau, überzeugten aber sowohl in der Spitze als auch in der Breite. Meine Favoriten waren der kräftig saure Kriek van Mortagne, sowie die Cuvee Sofie, die es in der regulären wie in der fassgereiften Version gab. Auch sehr schön war die Ich bin ein Berliner Himbeer-Weisse. Insgesamt ein starker Auftritt, die muss ich mal im Auge behalten.
Von Hopfenjüngern empfohlen: Omnipollo (Schweden)
Von meinen Trierer Bloggerkollegen habe ich immer wieder euphorische Lobeshymnen gehört, wenn es um Omnipollo ging. Grund genug, dem Hype mal auf den Grund zu gehen. Und eins sei vorweggesagt, die Jungs haben voll und ganz recht. An den oftmals langen Schlangen vor dem Stand war zu sehen, dass sich die Schweden mittlerweile einen richtig großen Namen gemacht haben. Eyecatcher waren die Slush-Ice Maschinen, am ersten Tag gab es das Lemon Merungue Ice Cream Pie, am Samstag die Bianca Mango Lassi Gose in der geeisten Version. Das halbe Glas wurde dabei mit dem Bier gefüllt, darauf kam dann das entsprechende geeiste Bier. Total verrückt, aber einfach toll, da hätte ich mich reinsetzen können. Und außerdem passte es ideal zum schönen Spätsommerwetter.
Auf mein persönliches Siegertreppchen schafften es aber zwei andere Biere. Das Anagram Blueberry Cheesecake Stout war für mich das beste Bier des Festivals, ein krasses Käsekuchenaroma mit unfassbarer Dichte, zum Niederknien. Ähnlich gut entpuppte sich das Yellow Belly Peanut Butter Biscuit Stout. Bitter, rund, mit spürbarem, aber zum Glück nicht zu präsentem Erdnussaroma. Toll. Die überbordende Fantasie der Brauer erkennt man auch beim Hypnopomba, einem Imperial Stout mit Vanille aus Tahiti und Marshmallows. Da muss man erst einmal drauf kommen.
Labietis (Lettland) & Sahtipaja (Schweden)
Die Letten von Labietis habe ich seit meinem Besuch in Riga vor einigen Wochen fest in mein Herz geschlossen. Unter all den Hochkarätern hatten sie es hier insgesamt nicht leicht, aber die sehr individuellen Biere zeigen wirklich gute Ansätze. Das Rasele, ein Wermut und Minze Session Ale sowie das leichte Ausma mit Ingwer und Minze haben mich doch überzeugt. Da muss ich beim nächsten Besuch in Riga unbedingt wieder vorbei.
Die vielleicht verrücktesten Getränke des Festivals lieferte Sahtipaja aus Schweden ab. Immer wieder landete das Violmjöd an unserem Tisch. Optisch von Wasser nicht zu unterscheiden springt einen das Vanillearoma dieses Session Meads förmlich an. Der Honig kommt schön durch, ein beklopptes, aber absolut geiles Zeug. Gefallen hat mir außerdem der Bourbon Barrelled Vanillecider, verrücktes Zeug… Mein Favorit war allerdings ein vergleichsweise „normales“ Bier, nämlich die Passion for Mango Berliner Weisse.
Fazit
Das Borefts Beer Festival ist der Hammer. Tolle Biere, eine einzigartige Atmosphäre, gutes Essen und freundliche Menschen, wohin man auch blickt. Was die Jungs von de Molen da jedes Jahr aus dem Hut zaubern, ist ganz groß. Die Biere der Gastgeber selbst haben mich allerdings nicht so recht fesseln können, vielleicht wollte man mit etwa 40 Bieren auch zu viel. Wobei man sagen muss, dass sie beim Stout schon deutlich besser sind als bspw. bei den IPAs.
Für das diesjährige Thema „Reinheitsgebot“ musste jede Brauerei mindestens ein passendes Bier bereitstellen, wodurch man zwischen dem verrückten Kram und den Alkoholbomben auch mal das ein oder andere Kellerbier dazwischenschieben konnte. Eines der besten lieferte dabei La Pirata aus Spanien ab. Die einzige deutsche Brauerei war Gänstaller, hier stach besonders der rauchige Affumicator hervor. Dry and Bitter aus Dänemark überzeugte mit ein paar starken Portern, Lervig hatte neben dem genialen barrel-aged Tonkabohnenkracher Three Bean Stout insgesamt ein sehr starkes Portfolio am Start. Bevog aus Österreich haben wir eher am Rande behandelt, der Hagger Barley Wine hätte es allerdings fast in meine Top Ten geschafft.
Insgesamt muss man neben dem Trend zu Sauerbieren und dem königlichen Platzhirsch Imperial Stout feststellen, dass der Hype um die IPAs etwas vorbei zu sein scheint. Das ist mir schon beim letzten Festival der Bierkulturen in Köln aufgefallen, und hier war es ebenso deutlich zu merken.
Wer viel trinkt, bekommt natürlich auch Hunger. Hier ist man auf dem Borefts bestens versorgt, absolutes Highlight ist die kultige Boreftswurst, eine Art grober Fleischwurst, gefüllt mit Käse und einer würzigen Kruste. Saustark. Und Bitterballen gab es auch, ich war begeistert. Und das man in den Niederlanden Fritten kann, muss ich niemandem erzählen.
Die Abende verbrachten wir in den Kneipen von Bodegraven, wo wir erstaunlicherweise die einzigen Besucher des Festivals waren, und uns bestens mit den Einheimischen unterhielten. Nach ein paar Industriebieren kann man sich sogar auf das glatte Parkett der angeregten Fußballdiskussion wagen. Unser Hotel, meines Wissens das einzige in der Kleinstadt, lag allerdings endlos weite drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, was besonders unangenehm wird, wenn die eigenen Navigationsfähigkeiten trotz Handy nach etwa einhundert getesteten Bieren allein am Freitag doch stark in Mitleidenschaft geraten waren. Am Samstag entschieden wir uns dann doch lieber für ein Taxi.
Auch wenn es ein nicht ganz billiger Spaß war, steht das Borefts Beer Festival auch für das kommende Jahr wieder fest im Terminplan. Es ist ganz einfach Beergeeks Paradise!
Top 10
- Omnipollo – Anagram Blueberry Cheesecake Stout
- Lervig – Barrel Aged Three Bean Stout with chocolate, vanilla, tonka bean
- Omnipollo – Yellow Belly Peanut Butter Biscuit Stout
- Cascade – Manhattan NW
- Cascade – Vlad the Impaler
Weitere Topbiere ohne feste Reihenfolge:
Alvinne – Smoking Peaches
Cigar City – Jai Alai IPA
Cigar City – Hunahpu’s Imperial Stout
Omnipollo – Lemon Merungue Ice Cream Pie
Sahtipaja – Passion for Mango