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An die Olympischen Winterspiele in Calgary 1988 kann ich mich noch erstaunlich gut erinnern, immerhin war ich einen Tag vor der Eröffnung ganze elf Jahre alt geworden! Erinnern ist dabei so eine Sache, es sind weniger irgendwelche Details, als die olympische Atmosphäre, die ich immer noch irgendwie nachfühlen kann. Doch ein Gesicht habe ich immer noch vor Augen, denn in Calgary ging der Stern von Eddie Edwards auf, den alle nur „The Eagle“ nannten. Dass dessen Geschichte Hollywoodpotenzial hat, war von Anfang an klar, nun hat sich Regisseur Dexter Fletcher des Stoffes angenommen.

kino_projector_1280Es ist wahrlich ein Märchen, dessen realer Kern einen heute noch Staunen lässt. Erzählt wird die Geschichte des verschrobenen Michael Edwards, der trotz eines kaputten Beins und zahlreichen zerschlagenen Brillen von klein auf von einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen träumt und sich durch nichts von diesem Ziel abbringen lässt. Eddie ist ein Träumer, ein hoffnungsloser Optimist, der mit kindlicher Naivität und Verbissenheit und mit wenig Talent gesegnet alles versucht, und dabei die Geduld und das Sparbuch seiner Eltern immer wieder aufs Äußerste strapaziert.

Als er einen künstlichen Skihügel in der Nachbarschaft entdeckt, ändert er seine Pläne, als Speerwerfer, Läufer oder Gewichtheber an den Sommerspielen teilzunehmen und entwickelt recht bald eine erstaunliche Kunstfertigkeit auf Skiern, die ihn erstaunlicherweise fast in die nur mäßig erfolgreiche britische Nationalmannschaft führt. Doch schon hier kommt er mit unerbittlichen Funktionären in Kontakt, die sich über den Exoten lustig machen und wegschicken.

Doch trotz aller Rückschläge und Erniedrigungen gibt Eddie nicht auf und als er ein Bild eines Skispringers entdeckt, wittert er seine Chance. Er reist nach Deutschland und macht seine ersten, meist schmerzhaften Sprungversuche, zunächst noch auf kleinen Schanzen. Obhut findet er bei Wirtin Petra (Iris Berben), die ihm auch erzählt, um wen es sich beim stets betrunkenen Pistenraupenfahrer Bronson Peary (Hugh Jackman, Wolverine) wirklich handelt. Der ehemals hoch talentierte US-Springer wird von Eddie solange genervt, bis er ihn unter seine Fittiche nimmt. Dass der Trainer, dessen gescheiterte Karriere ein Nebenstrang des Films ist, der Fantasie der Drehbuchautoren entsprungen ist, mag man als künstlerische Freiheit und Verdichtung verzeihen, immerhin hatte Eddie tatsächlich amerikanische Trainer.

Auf der Leinwand wird Eddie von Taron Egerton (Kingsman: The Secret Service) verkörpert, eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass wahrscheinlich jeder das Gesicht des sympathischen Skispringers vor Augen hat. Doch Egerton macht seine Sache hervorragend, neben den dicken Brillengläsern und dem fürchterlichen Schnurrbart passt auch die Mimik sehr gut. Hugh Jackman bringt das nötige Hollywoodflair, das der Produktion etwas fehlt. Für ein ernstzunehmendes Biopic wurde bei einigen Details dann doch etwas zu leichtfertig geschludert. So wird hier fast ausschließlich im V-Stil gesprungen, eine Technik, die sich Ende der 80er-Jahre erst langsam durchsetzte und mit drastischen Haltungsnoten bestraft wurde und so noch nicht konkurrenzfähig war. Ob man einfach keine Springer gefunden hat, die den Parallelstil noch beherrschen? Auch die Olympiade in Calgary wurde nicht in Kanada, sondern in Oberstdorf gefilmt, was doch ziemlich auffällig ist.

Aber für Skisprung- und Sportfilmpuristen ist Eddie the Eagle wahrscheinlich auch nicht gedacht. Es ist ein Feel Good Movie der guten Sorte. Die Geschichte des Außenseiters, der seine Träume niemals aufgibt und schließlich zum Helden wird, ist fast schon zu kitschig, wenn sie nicht wahr wäre. Ergreifend dann auch die Worte, die Frank King, Chef des olympischen Organisationskomitees, während der Abschlussfeier an die Athleten richtete: „You have captured our hearts. And some of you have soared like eagles.“ Eins ist aber auch klar: Exoten wie Eddie the Eagle oder das legendäre jamaikanische Bobteam haben es in Zeiten der Professionalisierung schwer, ihre Träume so in die Tat umzusetzen, wie es hier gezeigt wird. Den Geist des „Dabeisein ist alles“ haben die Olympischen Spiele heute leider eingebüßt.

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Bild: Pixabay

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