Ich habe ja schon viel in Sachen Bier gesehen und vor allem getrunken, aber dass mir eine völlig eigenständige Bierkultur wie in Litauen bislang entgehen konnte, überrascht mich wirklich. Unzählige Brauereien produzieren auf dem Land ihre eigenen Biere und seit ein paar Jahren ist hieraus eine Art von Massenbewegung geworden, die auch in den Restaurants und Kneipen der Hauptstadt ihren Siegeszug antreten konnte. Für den Besucher führt dies allerdings zu einigen Problemen, ist doch die Lektüre einer Bierkarte ein Buch mit sieben Siegeln.
Zwar gibt es auf vielen Karten mal mehr, mal weniger hilfreiche englische Übersetzungen, festzuhalten ist aber, dass die dort vermerkten korrespondierenden Bierstile nur ganz grob die Richtung des Bieres angeben, manchmal muss man da viel Fantasie haben. Also am besten einfach probieren, eine grundsätzliche Unterscheidung hilft hier schon einmal sehr viel weiter:
Kaimiskas
Der Oberbegriff für litauische Landbiere. Letztendlich bietet dies keinerlei Indiz, was für ein Bier da im Glas ist, man kann (oder sollte) aber sicher sein, dass es sich hierbei um ein nach traditionellen Methoden hergestelltes Bier handelt.
Šviesusis
Ein unfiltriertes Helles, viel mehr habe ich bislang nicht an Gemeinsamkeit ausmachen können. Mal eher als Lager, dann als belgisches Dubbel interpretiert, es ist immer eine große Überraschung, was da im Glas landet. Aber das macht ja auch sehr viel Spaß! Der Alkoholgehalt scheint mir einen Tick höher zu liegen als bei „unseren“ Bieren, was ich da so im Glas hatte, lag meist bei etwa 6%.
Tamsusis
Die dunkle Variante, oftmals auch gerne als Stout oder Porter aufgeführt. Wobei es bspw. bei der Leičiai-Brauerei ein Tamsusis neben einem Porter gibt, alles sehr verwirrend. Natürlich steht hier der Malzcharakter im Vordergrund und oft geht dies einher mit einer die Bitterkeit verdrängenden Süße, die aber nicht unangenehm ist.
Die Litauische Bierbibel
Ich gebe es zu: Ich wäre völlig verloren gewesen und hätte mich wahrscheinlich an den Lager und IPA-Strohhalm gehangen. Trink, was du kennst. Dass es dazu nicht gekommen ist, habe ich Lars Marius Garshol zu verdanken. In „Lithuanian Beer – A rough guide“ steckt so viel Information, wie sie nur ein echter Biernerd zusammentragen kann. Das Buch gibt es sensationellerweise als Gratisdownload und als besonderen Service hat Lars noch eine geniale Vilnius-Beermap gebastelt, die mir ebenfalls eine große Hilfe war. Lars, du bist mein Held!
Bars & Kneipen
Bambalynè
Stiklių g. 7
Was für ein Laden. Hat man die steilen Stufen hinab in den Keller einmal bewältigt, empfangen einen mehrere Kühlschränke voll mit den feinsten Erzeugnissen der litauischen Braukunst. Der Preis bemisst sich nach der Flaschengröße und reicht von zwei Euro bis vier Euro. Nun kann man entscheiden, ob man das edle Gebräu mit nach Hause nehmen will, oder gleich vor Ort in der wirklich außergewöhnlichen Kneipe verkosten will. Must-See für Bierfreunde!
Alinė Leičiai
Stikliu g. 4
Zusammen mit Bambalynè und Leičių bravoras bildet Alinė Leičiai das Triumvirat der Leičiai-Brauerei. Dies ist das dazugehörige Restaurant und ich hatte hier die besten Cepelinai meines Aufenthalts. Mit Fleischbrät gefüllte Kartoffelklöße in Zepellinform mit Specksoße. Himmlisch! Der Laden war gut gefüllt, aber ich habe noch einen Platz an der Theke ergattern können. Eine gute Position für ein paar Fachsimpeleien mit den freundlichen Mitarbeitern. Ich startete mit einem ausgezeichneten, hauseigenen Porter. Empfohlen wurde mir daraufhin das Saisonbier, diesmal ein sogenanntes ‚Belgian Style‘ Ale, was sehr gut war, aber eine sehr aufregende pfeffrige Gewürznote hatte, die sicher nicht jedermanns Sache ist.
Leičių bravoras
Stikliu g. 5
Selbe Straße, selber Betreiber. Ein ebenerdiges Gewölbe mit Zapfhahn an jedem Tisch. Da gab es ein Dortmunder, was auch immer das sein soll. Ich hielt mich an die „normalen“ Fassbiere und hatte ein nicht wirklich überzeugendes Lager. Sehr getreidig und mit wenig Tiefe, fast schon etwas seifig. Daraufhin probierte ich noch einmal das obskure „Belgian Ale“ und der Eindruck von zuvor bestätigte sich erneut. Ein komisches, aber sehr interessantes Bier. Zum Essen hatte ich einen sehr sehr würzigen Evening Stew, sehr lecker, aber sicher für manchen Connaisseur viel zu scharf. Der Service machte einen recht gelangweilten Eindruck und war nicht wirklich auf Zack, definitiv der schwächste Pub, den ich besucht habe.
Šnekutis Stepono
Šv.Stepono g. 8
Im Jahr 2007 vom schnurrbärtigen Valentas Vaškevičius gegründet ist die Bar so etwas wie der Urvater der Renaissance litauischer Landbiere. Nur einen kleinen Fußmarsch Richtung Süden vom Rathaus entfernt, gibt es hier zwölf regionale Biere vom Fass und einen Kühlschrank mit einigen Flaschenbieren. Eine kleine, gemütliche Kneipe mit demselben kulinarischen Angebot wie in Užupis (s.u.), aber einigen Bieren mehr. Probiert habe ich zwei Biere von Jovaru Alus, gewissermaßen der Šnekutis Hausbrauerei. Das Jovaru Šnekutis hat mich wirklich begeistert. Wunderbar rund, ausgewogen und kraftvoll. Nicht ganz so gut fand ich das Jovary su Medumi mit zugesetztem Honig, das aber kein Honigbier war, wie man es von Mittelaltermärkten kennt. Nicht ganz so süffig wie das Jovaru Šnekutis, aber durchaus trinkbar. Apropos Honig: Probieren durfte ich noch ein Lietuviskas midus. Abgefahren, süß und mit 6% Alkohol durchaus gefährlich. Hergestellt aus einem fermentierten Honig-Wasser-Gemisch, dem später Hopfen, Gewürze und weitere Zutaten beigefügt werden.
Šnekutis Užupis
Polocko g. 7A
Hier muss man als Bierfreund einfach gewesen sein. Direkt an der Hauptstraße der Republik Užupis gelegen, fühlt man sich in einen Stall versetzt. Ein Kamin verbreitet wohlige Wärme und der ganze Laden ist voll mit Zeuch, von Musikinstrumenten bis zu antiquierter Technik. Auf den Holzbänken sitzt es sich gemütlich und die Bedienung war sehr nett. Bestellt wird direkt an der Theke und ich probierte zwei Tamsusis, nämlich das 666 mit 6% Alkohol und das Varniuku Alus. Letzteres hat mich nicht so überzeugt. Kein Schaum, recht malzig, aber insgesamt etwas dünn.
Būsi trečias
Totorių g. 18
Ein weiterer uriger Pub mit eigenem Bier. Lars weist allerdings darauf hin, dass es auf Basis eines tschechischen Extrakts gebraut wurde. Bei einem Rugbyspiel im TV probierte ich ein Šviesusis und ein Tamsusis namens ‚Juodas’, was nichts mit dem biblischen Verräter zu tun hat, sondern lediglich ’schwarz‘ bedeutet. Geschmeckt haben sie mir beide. Dazu gab es einen Topf Hexentränen (eine Art Chili con Carne mit viel Hackfleisch) und eine sehr gemütliche Atmosphäre. Hier macht man sicher nichts falsch, vor allem weil die Preise wieder einmal sehr günstig waren.
Zur Webseite (Englische Übersetzung nur fragmentarisch)
Alaus Biblioteka
Trakų g. 4
Eine Bar im Ambiente einer Bibliothek, das sorgt für gediegene Atmosphäre, die den Bieren durchaus gerecht wird. Der Fokus liegt hier nicht allein auf einheimischen Erzeugnissen, sondern Vielfalt ist angesagt. Zwölf Biere vom Fass stehen zur Auswahl, darunter einige Vertreter aus Großbritannien und weitere aus Belgien, Tschechien und mit Spaten und Paulaner sogar zwei Deutsche. Ein Probierschluck ist immer drin und zum einzigen Mal während des kurzen Urlaubs ging ich fremd. Aber das Old Tom Old Ale musste ich einfach probieren und es war großartig. Daneben gab es ein Raudonu Plytu aus Litauen, ein sehr überzeugendes Vienna Lager. Auch in den Regalen spiegelt sich die internationale Ausrichtung wider, hier könnte man sogar ein Schlenkerla Rauchbier erwerben. Die Preise sind einen Tick höher als in den typischen Bierkneipen, das Raudonu Plytu lag bei 2,50 € für ein 0,33, ein Pint Old Tom schlug mit 3,90 € zu Buche. Eine kleine Karte mit Essen, Nüsschen zu jedem Bier und ein sehr freundlicher Service runden den guten Gesamteindruck ab.
Kühlschrankbiere
Kanapinis
Die Biere der Taruškų Brauerei aus Trakiškio sind in vielen Pubs erhältlich, wurden von mir aber im Supermarktkühlschrank gefunden. Ich entschied mich für ein Šviesusis und ein Tamsusis. Beide handwerklich völlig in Ordnung und gute Vertreter ihrer Zunft.
Butautu Dvaro
Im Bierguide findet sich wenig Erhellendes zu dieser Brauerei aus Butautai. Zwei ihrer Biere habe ich bei Bambalynè erworben und eines sogar im hiesigen Supermarkt-Kühlschrank. Letzteres gehört offenbar zum Standardsortiment, ein Šviesusis mit 5% Alkohol. Die anderen beiden scheinen von Gastbrauern hergestellt worden zu sein, deren Bild und Signatur die Flaschen ziert. Darunter ein ordentliches, wenn auch wenig aufregendes Šviesusis und ein ziemlich furchtbares Porter. Das Supermarkt-Šviesusis war ok, wenn auch nicht zu vergleichen mit den anderen getesteten Bieren vom Fass.
Vilniaus Alus
Auch einige Biere von Vilniaus Alus, einem der größeren Produzenten des Landes, fanden sich im Supermarktregal. Ich probierte wieder sowohl ein Helles wie ein Dunkles, beide wenig aufregend, aber handwerklich voll und ganz in Ordnung.
Kauno Alus
Ich gebe zu, im unüberschaubaren Angebot der Kühlschränke von Bambalynè habe ich die beiden Biere von Kauno Alus aus Kaunas vor allem wegen des schön gestalteten Etiketts gekauft. Die Biere bestätigten dabei durchaus den guten Eindruck. Den Weg in den Rucksack und später in den Schlund fanden das Burmistro Sodrusis Juodasis Alus sowie das Burmistro Kartusis Sviesusis.
Fazit
Für Bierfreunde ist Litauen ein Traumland, in dem es viel zu entdecken gibt. Es ist wahnsinnig aufregend, sich durch die Vielfalt zu trinken, und selbst wenn die Qualität manchmal doch etwas schwankt, muss man sich auch bei einem schwächeren Bier angesichts des günstigen Preises sicher nicht grämen. Die von mir besuchten Bars hatten alle eine ganz besondere Atmosphäre, und man sollte sich definitiv nicht von einem manchmal sehr schlichten Äußeren und rustikalen Inneren täuschen lassen. Sveikatą (Prost)!
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