Das war ja mal eine schöne Überraschung. Knapp anderthalb Monate vor dem Auftritt kündigten Die Toten Hosen überraschend eine Warm-up-Show für ihre großen Sommer Open-Airs an und das in der schönen Rockhal in Esch. Es hieß schnell sein und innerhalb von 24 Stunden waren alle Karten restlos ausverkauft. Selbst vor der Halle waren, so weit ich sehen konnte, keine Karten zu bekommen, lediglich einige Verzweifelte mit Kartenwunsch standen herum. Wer seine Karte im Vorfeld abgegeben hatte, sollte sich in den Hintern beißen, denn der Auftritt der deutschen Punkrock-Legenden war schlichtweg grandios.
Lang ist es her. Vor 21 Jahren habe ich die Hosen zuletzt gesehen, damals in der Sporthalle Oberwerth in Koblenz. Viel ist seitdem passiert, die Band und ein klein wenig auch man selbst ist gereift und so ein wenig habe ich die Düsseldorfer nach einigen zum Teil sehr enttäuschenden Veröffentlichungen aus den Augen verloren. So war es an der Zeit, sich noch einmal leibhaftig von den zweifellos vorhandenen Livequalitäten der Hosen zu überzeugen, und ich sollte es nicht bereuen.
Ich habe es an dieser Stelle schon oft geschrieben und kann es nur wiederholen: Die Rockhal ist einfach super. Tolle Akustik, nie gnadenlos überfüllt, selbst wenn es wie hier mit 6.000 Zuschauern ausverkauft war, schneller und problemloser Einlass, viele Verpflegungsstände usw. So wurde auch dieses für Hosen-Verhältnisse intime Konzert zu einem ganz besonderen Erlebnis. Eröffnet wurde der Abend von Triggerfinger aus Belgien, die ich bis dahin gar nicht so recht auf dem Schirm hatte. Wie viele kannte ich natürlich den Hit I Follow Rivers, der an diesem Abend allerdings nicht geboten wurde. Stattdessen (und zum Glück) gab es ein richtig fettes Hard- und Bluesrock-Brett, die drei Gestalten in ihren fantasievollen Anzügen hauten so richtig einen raus. Angekündigt wurden sie stilecht von Hosen-Bassist Andi und man merkte, dass sich die Band ihren Support sehr bewusst ausgesucht hatte.
Nach dem großartigen Auftritt von Triggerfinger stieg die Spannung kontinuierlich an. Die üppigen Leinwände begannen ihren Dienst zu verrichten und aus den Boxen gab es schon einmal ein paar Punkrockhymnen zu hören. Ziemlich genau um 21 Uhr ging es dann los und es folgten zweieinhalb Stunden, die ich so schnell nicht vergessen werde. So schlimm ich Schlagerpop-Auswüchse wie Tage wie diese finde (samt der komischen Leute, die von solchen Songs angezogen werden und sich dann wundern, wenn ihnen ein 100-Kilo-Hüne entgegenkatapultiert wird), so energiegeladen und rotzig sind die Liveshows der Band. Bonnie & Clyde, Liebeslied, Auswärtsspiel, von Beginn an gab es Vollgas!
Lustig ist immer wieder die gewisse Irritation, die bei den Künstlern durch die Mehrsprachigkeit in Luxemburg ausgelöst wird. Campino löste das Problem mit einer Begrüßung in Zulu, wobei ich mir kein Urteil anmaßen will, wie fehlerfrei er dies über die Bühne brachte. Angesichts der Leute um mich herum wäre Saarländisch wohl die geeignete Sprache gewesen, wenig überraschend zog er dann auch eine Dame aus Dillingen auf die Bühne, die mit ihm (eher schlecht als recht) Paradies zum Besten geben sollte.
Die Setlist war dabei durchaus reizvoll und enthielt einige Songs, die nicht zum Standardrepertoire der Band gehören. Madelaine (aus Lüdenscheid), Das Mädchen aus Rottweil, Europa oder Willkommen in Deutschland. Letzteres ist nach langer Pause in diesem Jahr wieder häufiger in die Setlists der Konzerte gekommen, verknüpft mit eindringlichen politischen Botschaften, die es heute wieder besonders nötig machen, einen solchen Song ins Bewusstsein zu rücken. Insgesamt stattliche 36 Lieder wurden zum Besten gegeben, drei Zugabeblöcke gespielt. Bei einigen Songs verstärkte man sich mit „richtigen Musikern“, die an Piano und Streichinstrumenten für die etwas ruhigeren, damit aber nicht weniger eindrucksvollen Momente des Abends sorgten. So entwickelte sich ein abwechslungsreiches und zu keiner Sekunde langweiliges Konzert, das mich sehr beeindruckt hat. Wie üblich verabschiedete man sich mit You’ll Never Walk Alone von den glücklichen Zuschauern, die jetzt noch einige Zeit auf dem sich nur stockend leerenden Parkplatz der Rockhal verbringen mussten. Wie man sich dabei von irgendwelchen dubiosen Kneipenterroristen beschallen lassen kann, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Nix verstanden, Setzen, Sechs!