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Wohl kaum eine Stadt hat derzeit eine so spannende Bierszene zu bieten wie Berlin. Unzählige Kleinbrauereien bieten eine beeindruckende Vielfalt, in vielen Kneipen gibt es ganz selbstverständlich Craft-Biere aus der ganzen Welt zu probieren. Grund genug, mich bei einem Besuch in der Bundeshauptstadt einmal umfassend über die aktuellen Entwicklungen zu informieren, um letztendlich aber doch nur an der Oberfläche zu kratzen.

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Biere zwischen Tradition und Moderne

Es ist immer gut, wenn man einen echten Bierexperten vor Ort hat und so bat ich im Vorfeld meinen alten Freund Todd um ein paar Tipps in Sachen Gerstensaft. Todd kommt eigentlich aus den USA und begleitet seit Jahren die sich wandelnde Bierszene in Berlin, worüber er auch ausführlich in seinem eigenen Blog geschrieben hat.

Ganz sicher ist es unter anderem die kosmopolitische und vielfältige Bevölkerungsstruktur in der Bundeshauptstadt, die durch Offenheit und Neugier für den aktuellen Boom vor allem der Craft-Biere mit international ausgerichteten Bierstilen gesorgt haben. Manch ein konservativer Biertrinker rümpft die Nase angesichts von überlaufenen Hipsterkneipen mit vermeintlich überteuerten Importbieren. Blickt man aber hinter die Kulissen, so findet man eine lebendige Szene mit jungen und neugierigen Brauern, die jegliche Scheuklappen abgelegt haben und abwechslungsreiche Biere höchster Qualität brauen. Craft kommt nicht umsonst von Handwerk, und so gefällt was schmeckt. Und geschmeckt hat es und leider konnte ich bei meiner Stippvisite nur ein paar ausgewählte Beispiele probieren.

Hops & Barley

Meinen ersten Stopp machte ich bei Hops and Barley in Friedrichshain, wo Philipp Brokamp seit 2008 ansprechende Biere braut. Der Laden an sich ist rustikal-gemütlich und die Biere hervorragend. Neben Pils, Weizen und einem Dunklen gibt es regelmäßig wechselnde Spezialbiere. Das Pils war ungemein kräftig, ohne nervig herb zu sein, sehr ausgewogen und süffig und mit einer prägnanten Süße. Das kräftig-kernige Dunkle hat mich ebenfalls absolut überzeugt, wohingegen mir das Weizen etwas zu weich und cremig war, dabei aber durchaus Substanz aufwies. Das Hops and Barley bietet über der Kneipe noch eine Ferienwohnung an, gut möglich, dass ich dort im Laufe des Sommers noch einmal Station mache.

Wühlischstr. 22/23, Nähe Boxhagener Platz
www.hopsandbarley-berlin.de

Heidenpeters in der Markthalle 9

Die Entdeckung für mich war die Markthalle 9 in Kreuzberg, nicht nur aber vor allem wegen den großartigen Bieren bei Heidenpeters. Dabei wäre es fast nicht zur Verkostung gekommen, denn die kleine Bar befindet sich in einer etwas abgelegenen Ecke der lauschigen Halle und ich bin zweimal vergeblich umhergelaufen. Was nicht schlimm war, denn an den zahlreichen Ständen gab es herrliche Sachen zu entdecken und zu Essen, hier habe ich nicht umsonst meinen straffen Zeitplan ziemlich strapaziert.

heidenpeters

Johannes Heidenpeter ist eigentlich Künstler, was man seinen Bieren auch irgendwie anmerkt. Seit 2012 braut der Autodidakt direkt in der Markthalle, wo man die Biere dann auch gleich zu äußerst verbraucherfreundlichen Preisen probieren kann. Geradezu vom Hocker gehauen hat mich das wunderbare Pale Ale, weich und rund mit spritzigem Hopfen. Etwas sperriger kommt erwartungsgemäß das IPA daher, sehr kräftig, aber mit enorm vielen Geschmacksnuancen. Einen Hahn hält man hier für Gastbiere frei, diesmal ein das Deep Love IPA von Alebrowar aus Polen. Ein Geschmackserlebnis, noch eine Spur intensiver als das Heidenpeters IPA, für manche sicher schon zu intensiv.

Eisenbahnstraße 42/43
heidenpeters.de

Eschenbräu

eschenbräuMan glaubt kaum, dass man tatsächlich richtig ist. Mitten in bzw. unter den großen Wohnkomplexen im Wedding befindet sich die Hausbrauerei Eschenbräu. Im Innenhof gibt es noch einen urigen Biergarten, der im garstigen März natürlich noch verwaist war. Ein unscheinbares Schild führt zu einer Treppe und von dort direkt in den gemütlichen Schankraum, wo man sich ganz in bester Brauhaustradition sogar sein Essen selbst mitbringen darf. Braumeister Martin Eschenbrenner braut hier neben traditionellen Bieren (Pils, Weizen und Dunkles) auch in regelmäßigen Abständen Sonderbiere, als ich vor Ort war, gab es die Black Mamba, die ich leider nicht probieren konnte, da ich nach dem ausgiebigen Besuch bei Heidenpeters etwas unter Zeitdruck stand. Probiert habe ich lediglich das Pils, das einen erdig-kräftigen und angenehm runden Eindruck machte. Hier muss ich auf jeden Fall noch einmal hin.

Triftstr. 67
www.eschenbraeu.de

Vagabund

Der Name Vagabund passt natürlich sehr gut, wenn drei Amerikaner neben ihren Brotjobs anfangen in den eigenen vier Wänden Bier zu brauen und schließlich ihre eigene Brauerei samt Kneipe im Wedding zu eröffnen. Im gemütlichen Schankraum habe ich mich an der Theke niedergelassen und kam direkt ins Gespräch mit der netten Belegschaft. Probiert habe ich das hauseigene Amber Ale sowie das Krimson Kiwi IPA, beides sehr angenehme Biere, wobei mir das weiche und dezent hopfige Amber Ale wirklich sehr gut geschmeckt hat.

Antwerpener Str. 3
www.vagabundbrauerei.de

Brauhaus Lemke

lemke02In der Nähe des Alexanderplatzes findet man einen interessanten Bier-Hotspot, der moderne Biervariationen mit einem klassischen Brauhaus samt deftiger Teutonenküche kombiniert. Oliver Lemke gehört zu den Brauer-Urgesteinen Berlins und hat mit dem „Brauhaus Lemke“ einen Platz geschaffen, an dem viele internationale Touristen und lokale Bierfreunde einträchtig nebeneinander bei Haxe und Bier sitzen. Mir fast schon zu professionell, aber mit einer wirklich faszinierenden Bierauswahl. Irgendwie hatte ich aber dann doch das Gefühl, dass die einzelnen Biere etwas zu konventionell geraten waren. Alle gut, aber ich habe etwas die Ecken und Kanten vermisst. Das Original Wiener Lagerbier ist ein angenehm süffiges Dunkles, das kaum Reizpunkte zu setzen vermag und gerade deshalb einen idealen Durstlöscher darstellt. Das Weizen kam ohne das oftmals prägnante Bananenaroma daher und wirkte ausgewogen und rund. Das Pale Ale ist eher ein Einsteiger-Pale-Ale mit sehr dezenter Bitternote und leichtem Hopfenaroma. Auch das IPA ist für diesen Stil sehr zugänglich und bestärkte den Eindruck von sehr zahmen Bieren, die aber in einer beeindruckenden Vielfalt geboten werden.

Dircksenstraße, S-Bahnbogen 143
www.brauhaus-lemke.com

Hopfenreich

Wie es sich für eine Szenekneipe gehört, war das Hopfenreich am Freitagabend prall gefüllt und es empfing einen ein munteres Sprachengewirr. Zum Glück waren am Tresen noch Plätze frei und wir hatten ungehinderte Sicht auf die eindrucksvolle Getränketafel. Vierzehn internationale Bierspezialitäten gab es vom Fass, dazu noch unzählige weitere aus der Flasche. Hier konnte man sich mal so richtig gepflegt durch das Bieruniversum trinken und ich habe mir noch nicht einmal Notizen gemacht. Erinnern kann ich mich noch an das Hopfenstopfer Citra Ale sowie das Wedding Pale Ale aus der Bierfabrik. Todd empfahl mir außerdem, einmal zum Vergleich das ein oder andere Gebräu aus den Vereinigten Staaten zu probieren, was durchaus interessant war und noch einmal einen ganz anderen Eindruck vermittelte. Insgesamt ein rundum gelungener Abend mit netten Leuten und außerordentlich kompetenter Belegschaft hinter dem Tresen.

Sorauer Straße 31
Hopfenreich bei Facebook

hopfenreich

Lektüre

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