The Rolling Stones – Düsseldorf, 19. Juni 2014
Fast auf den Tag genau vor 15 Jahren habe ich die Rolling Stones während ihrer Bridges to Babylon-Tour zuletzt live gesehen. Im Müngersdorfer Stadion regnete es, bis auf eine kurze Unterbrechung während der Vorgruppe BAP, ohne Unterlass, und Mick Jagger tänzelte mit Designerregenmantel und Schirm über die Bühne. Diese Gefahr bestand diesmal nicht. Zwar ist die Espritarena in Düsseldorf ebenfalls ein Fußballstadion, aus „produktionstechnischen Gründen“ blieb das Dach aber geschlossen. Gut möglich, dass dies die letzte große Welttournee der britischen Rocklegende sein könnte, wobei man sich das bei all der Spielfreude und Energie der alten Herren gar nicht vorstellen kann und vor allem gar nicht vorstellen möchte. So oder so war es ein denkwürdiger Abend.
Die saftigen Eintrittspreise im Hinterkopf kamen im Vorfeld des Konzerts doch leise Zweifel auf, ob die Stones der dadurch geweckten Erwartungshaltung tatsächlich gerecht werden können. Diese Zweifel waren aber schnell beiseitegefegt. Insgesamt 45.000 Zuschauer fieberten dem zweiten Deutschlandkonzert der Briten entgegen, vertreten waren wirklich alle Altersgruppen. Von der Zehnjährigen bis zum rüstigen Rentner, dessen Jeanskutte mit Stones-Aufnäher vor dreißig Jahren vielleicht doch noch etwas besser gepasst hat. Von Beginn an entwickelte sich eine fröhliche und entspannte Atmosphäre, die Vorfreude war bei allen immens. Beim Betreten des Innenraums erschlug einen zunächst einmal die riesengroße Bühne mit drei gigantischen Videoleinwänden und einem langen Steg in den Innenraum. ‚Nicht kleckern, klotzen‘, heißt die Maxime, wobei die Vorband mit den riesigen Ausmaßen der Bühne und ohne Unterstützung durch irgendwelche Effekte etwas zu kämpfen hatte. Doch The Temperance Movement überzeugten die Zuschauer schnell mit kraftvollem Bluesrock und ihrem tollen Sänger Phil Campbell. Gehört hatten von den Briten sicher nur die Wenigsten, aber hier lohnt sich auf jeden Fall ein genaueres Hinhören in das selbstbetitelte Debütalbum aus dem Vorjahr.
Nach einer guten halben Stunde bester Unterhaltung stieg aber die Spannung in der Halle ins geradezu unermessliche. Und nach einem schönen Intro ging es dann endlich los. In Berlin vor einigen Tagen hatten die Stones das Konzert noch mit Start Me Up eröffnet, diesmal gab es Jumping Jack Flash.
Die folgenden gut zwei Stunden boten dann ein begeisterndes Best-Of Set, es muss der pure Horror sein, sich aus dem riesigen Katalog an Hits und Klassikern für 19 Lieder zu entscheiden. Kritiker werfen den Stones immer wieder vor, auf den Konzerten das Risiko zu scheuen, auch einmal unbekanntere Perlen zu präsentieren, aber ich war von der Auswahl absolut begeistert. Und Härtefälle wie beispielsweise das diesmal vernachlässigte Paint it Black sind angesichts der hochkarätigen Auswahl aus wenigen neueren und vielen alten Liedern zu verschmerzen. Von Beginn an gaben Mick, Keith, Ron und Charlie Vollgas. Unterstützt wurden sie von einer Handvoll weiteren Musikern wie Saxofonlegende Bobby Keys, Darryl Jones am Bass und Sängerin Lisa Fischer, alte Weggefährten, die die Stones bereits seit Jahrzehnten begleiten. Lisa Fischer sang mit Mick Jagger eine wundervolle Version von Gimme Shelter, für viele der beste Song, den die Stones je veröffentlicht haben und der auch mich immer wieder sehr berührt.
Mit Gitarrist Mick Taylor, festes Bandmitglied der Stones nach dem Tod von Brian Jones in den Jahren 1969-1974, gab es noch einen ganz besonderen Gast. Mit ihm performte die Band eine über zehn Minuten lange, begeisternde Version von Midnight Rambler, vielleicht der Höhepunkt eines Konzerts, das den glücklichen Zuschauern kaum eine Ruhepause gönnte. Bei Sympathy for the Devil war das ganze Stadion in rotes Licht getaucht und auf den Videowänden öffneten sich die Höllentore. Wirklich furchterregend wirkte Mick Jagger in seinem rosa Flokatiumhang nicht, aber er lieferte von Anfang bis Ende ein überzeugendes Konzert ab. Der dürre Sänger wirkt topfit, rast ohne Unterlass die riesige Bühne auf und ab und auch stimmlich gab es überhaupt nichts auszusetzen.
Überhaupt ist es beeindruckend zu sehen, wieviel Spaß die Band auf der Bühne hat. Es wird viel gelacht und es entsteht ein geradezu symbiotischer Energiefluss zwischen Band und Publikum. Keith Richards und Ronnie Wood posieren cool wie eh und je, während Charlie Watts stoisch und solide sein Schlagwerk bearbeitet. Dennoch ist er der große Sympathieträger einer Band, die wie keine andere den Rock ’N’ Roll verkörpert und es geschafft hat, in Ehren zu altern und die urwüchsige Kraft ihrer Musik in die euphorisierte Menge zu pumpen. Beim Abschied nach dem unvermeidlichen Satisfaction kam dann doch so etwas wie Wehmut auf, dass es womöglich das letzte Mal gewesen sein könnte, dass man die größte Band der Welt auf einer Bühne gesehen hat. Ein Status, den die Rolling Stones an diesem denkwürdigen Abend in Düsseldorf eindrucksvoll bestätigt haben.
Setlist
- Jumping Jack Flash
- Let’s Spend the Night Together
- It’s Only Rock ’N’ Roll
- Tumbling Dice
- Worried About You
- Doom and Gloom
- Street Fighting Man
- Out of Control
- Honky Tonk Women
- You Got the Silver
- Can’t Be Seen
- Midnight Rambler
- Miss You
- Gimme Shelter
- Start Me Up
- Sympathy for the Devil
- Brown Sugar
- You Can’t Always Get What You Want
- (I Can’t Get No) Satisfaction
Konzerte 2014:
- ASPs von Zaubererbrüdern -Eisenbahnhalle Losheim, 20. März 2014
- Broilers – Dortmund, Westfalenhalle, 12. April 2014
- Hexentanz Festival, Strandbad Losheim, 1.-3. Mai 2014
- Nine Inch Nails, Rockhal Esch/Alzette, 16. Mai 2014
- The Rolling Stones, Düsseldorf ESPRIT arena, 19. Juni 2014
- Iron Maiden & Ghost, Herchesfeld (L), 1. Juli 2014
- Broilers, Dresden, Filmnächte am Elbufer, 25. Juli 2014
- Amy Macdonald, Chateau Beaufort, 8. August 2014
- Turbostaat, Exhaus Trier, 13. September 2014
- Alestorm, Exhaus Trier, 19. September 2014
- 20 Jahre Broilers: Das Jubiläumskonzert, ISS-Dome Düsseldorf, 19. Dezember 2014