Lange haben wir überlegt, was wir dieses Jahr mit der Silvesterzeit anfangen sollen. Das Fernweh war mal wieder sehr ausgeprägt und nach den guten Erfahrungen vor zwei Jahren in Brügge haben wir uns schließlich entschlossen, nach Middelburg, dem kleinen Brügge in den Niederlanden zu fahren. So wurde es ein wundervoller Kurzurlaub, wobei die Silvestersitten in den Niederlanden wohl recht eigen sind…
Winter am Meer
Wie hier ja schon mehrfach geschrieben, übt das Meer eine ganz besondere Faszination auf mich aus und beruhigt mich sehr. Im Winter entfaltet es eine ganz eigene Atmosphäre, wobei der Klimawandel uns auch bestes Wetter und angenehme Temperaturen bescherte. Wann kann man im Dezember schon mal ohne Jacke in der Sonne sitzen und ein kühles Getränk genießen? Von unserer Basis in Middelburg zog es uns immer wieder an die Küste. Die herrlichen Strände rund um Zoutelande, Westkapelle und Domburg kenne ich aus vergangenen Urlauben noch sehr gut und das tolle Wetter rund um den Jahreswechsel 2013/14 lud zu langen Strandspaziergängen incl. Einkehr in den zahlreichen Strandpavillons geradezu ein.
Middelburg
Der vergangene Wohlstand Middelburgs wird nicht nur am grandiosen Rathaus sichtbar, das als eines der schönsten der gesamten Niederlande gilt. Schlendert man durch die engen Gassen der mittelalterlichen Altstadt, erinnert dies sehr stark an den heute noch offensichtlichen Glanz von Brügge, nur ohne die Touristenhorden. Die Entscheidung, eine Unterkunft diesmal nicht an der Küste, sondern direkt in Middelburg zu suchen, erwies sich als goldrichtig, selbst wenn der eigentliche Grund, nämlich die Silvesterparty, im Nachhinein ein Flop war und die Party in Domburg oder Zoutelande sicher ausgelassener war.
Nach einiger Internetrecherche entschieden wir uns für das Bed & Breakfast d‘ Ouwe Werkplaats direkt in der Altstadt, nur fünf Minuten Fußweg vom Marktplatz entfernt. Direkt an der inneren Gracht gelegen, bietet die Unterkunft alle Annehmlichkeiten. Neben einem schönen Dachgeschosszimmer mit ordentlichem Internet, Kühlschrank, Mikrowelle, Kaffeemaschine und Wasserkocher sowie einem großzügigen Bad und einem kleinen Extraraum mit Schreibtisch, gibt es morgens ein opulentes Frühstück, wobei die Vermieter immer wieder kleine Schmankerl wie Pfannkuchen oder Bollen anbieten. Auch ein privater Parkplatz steht zur Verfügung, wobei das Parken rund um Silvester in der Stadt kostenfrei war.
Der Silvesterabend
Die Erwartungshaltung:
Der Jahreswechsel, den wir vor einigen Jahren in Brügge feierten, hatte die Messlatte recht hochgelegt. Ein großes, von der Stadt organisiertes Feuerwerk an einem mit Menschen gefüllten Platz, zahlreiche Kneipen mit Sektständen und eine entspannte fröhliche Stimmung. So viel anders kann es doch knapp 100 Kilometer entfernt auch nicht sein. Denkt man.
Die Realität:
Reservieren ist angesagt, hieß es im Vorfeld in Sachen Abendessen. Das lag allerdings nicht an der Tatsache, dass Einheimische und Touristen in Massen die Restaurants stürmten, sondern schlicht und ergreifend daran, dass nahezu alle Lokalitäten geschlossen hatten. Zum Glück hatte das Il Senso offen und versorgte uns mit leckerer Zwiebel- und Tomatensuppe, Pizzen und einem italienischen Salat. Gestärkt konnte man sich also ins Getümmel der Silvesternacht stürzen.
23.50 Uhr. Der große Platz vor dem prachtvollen Rathaus der Stadt ist nahezu komplett verwaist. Ein paar ratlose Menschen, der ein oder andere mit Pyrotechnik unter dem Arm bewaffnet, harren der Dinge, die da kommen mögen. Alle Kneipen rund um den Platz haben geschlossen, es herrscht eine gespenstische Atmosphäre, die durch das entfernte Detonieren von Feuerwerkskörpern untermalt wird. Überhaupt knallt es schon den ganzen Tag und selbst die Tage davor wurde schon fleißig gezündelt. Offiziell erlaubt von 10 Uhr morgens bis 1 Uhr in der Nacht, verbringen die Niederländer offenbar den ganzen Silvestertag damit, Raketen und Böller zu zünden.
0.00 Uhr. Wirklich gefüllt hat sich der Platz immer noch nicht, doch langsam kommen die ein oder anderen Einheimischen aus ihren warmen Behausungen. Tatsächlich verbringt man den Tag Zuhause im Kreis von Freunden oder Familie. Erst um Mitternacht tritt man vor die Haustür, trinkt ein Glas Sekt und entfacht ein Höllenfeuer. Es ist unfassbar, was einem da so um die Ohren fliegt, Polenböller scheinen mir da wirklich Kinderkram gegen zu sein. Für eine Stunde herrscht Ausnahmezustand, während sich das erste leicht geschürzte Jungvolk vor den noch nicht geöffneten Clubs bereits die Beine in den Bauch steht. Hier wird wohl noch ins neue Jahr getanzt, während sich die Straßen langsam wieder leeren.
Wieder unbeschadet am eigenen Haus angekommen, empfangen uns noch die liebevollen Vermieter mit einem Glas Sekt und wir unterhalten uns noch ein Stündchen über dies und das. Ihre Hochzeitsreise vor fast genau 50 Jahren führte die beiden an die Mosel nach Bernkastel-Kues, die Welt ist halt klein. So fand ein merkwürdiger Abend noch ein entspannendes Ende.
Nieuwjaarsduik Domburg
Die Temperaturen am Neujahrstag meinten es gut mit den 408 wagemutigen Schwimmern, die sich um Punkt 14 Uhr in die Fluten am Strand von Domburg stürzten. Bei 9 Grad Celsius war auch der ein oder andere Deutsche am Start, unschwer zu erkennen z.B. an Trikots von Fortuna Düsseldorf. Bei manch einem hatte ich dann doch den Verdacht, dass er oder sie maximal bis zum Knöchel vom Wasser benetzt wurde, doch allein durch die Wartezeit in Bikini oder Badehose bei schneidendem Wind hatten sich die Teilnehmer die versprochene Erbsensuppe danach durchaus verdient.
Der Nieuwjaarsduik war der Abschluss unseres Kurztrips, der erholsam und natürlich viel zu kurz war. Aber Zeeland ist ja nur knapp vier Stunden von Trier entfernt, daher werden wir sicher bald wieder zurückkommen!