Es ist wieder Europapokalzeit im beschaulichen Luxemburg und wie in jedem Jahr gibt es die obligatorischen Überraschungsmomente, in denen die Vertreter aus dem Großherzogtum auf der großen Fußballbühne über sich hinauswachsen und den mehr oder weniger Großen in schöner Regelmäßigkeit ein Bein stellen. In diesem Jahr sorgte der FC Differdingen für die bislang größte Überraschung und besiegte im hauptstädtischen Stade Josy Barthel den niederländischen Erstligisten FC Utrecht überraschend mit 2:1.
Der niederländische Vertreter aus Utrecht machte die Zweitrundenbegegnung gegen den FC Differdingen zu einem Heimspiel in Luxemburg, denn man war mit einer beeindruckenden Anzahl von Fans in die Hauptstadt gereist. Mehr als 1.600 der der insgesamt 2.591 Zuschauer vertraten die Farben des hohen Favoriten und sorgten für echtes Europapokalfeeling. Doch am Ende der Partie war es an den Fans aus Differdingen, die eigene Mannschaft mit stehenden Ovationen zu feiern, denn der Pokal hatte einmal mehr gezeigt, dass er seine eigenen Gesetze hat. In der ersten Runde warf man bereits den albanischen Vertreter KF Laçi mit 1:0 und 2:1 aus dem Wettbewerb und auch gegen die Holländer wuchsen die Underdogs über sich hinaus. Hier einige Eindrücke zum Fußballabend:
Das Spiel
Es hätte kaum schlechter beginnen können für den FC Differdingen. Utrecht begab sich von Beginn an in die Offensive und nach weniger als zwei Minuten hatte Jacob Mulenga den Ball im Tor der Luxemburger untergebracht. Differdingen fand schwer ins Spiel und Utrecht erarbeitete sich eine klare Überlegenheit, ohne allerdings zu klaren Chancen zu kommen. Es hatte etwas von Handball und der Ball wurde etwas lustlos immer wieder rund um den Strafraum der kompakt stehenden Gastgeber gespielt. Offensiv brachten diese zunächst wenig zustande, außer wenigen Entlastungsangriffen ohne jede Gefahr konzentrierte man sich auf die Defensivarbeit. Und das klappte hervorragend und je länger die Partie dauerte, desto mehr legte man den Respekt vor dem übermächtigen Gegner ab und mit der ersten nennenswerten Torchance kam Differdingen sogar zum Ausgleich. Mit einer schönen Einzelleistung überwand Omar Er Rafik den bis dahin fast beschäftigungslosen Robin Ruiter. Viel tat sich in der Folge nicht mehr und somit ging es unentschieden in die Halbzeit.
Hälfte zwei begann fast ebenso wie der erste Abschnitt. Diesmal zielte Jacob Mulenga aber etwas zu genau und traf nur den Pfosten und auch der Nachschuss von Yoshiaki Takagi fand nicht das Ziel. Wer nun mit einem Sturmlauf des Favoriten rechnete, sah sich aber getäuscht. Dies sollte die letzte große Torchance für die von Bayern-Legende Jan Wouters trainierte Mannschaft aus Utrecht sein. Differdingen riss das Spiel immer mehr an sich und erspielte sich zum einen eine Feldüberlegenheit und zum anderen zahlreiche Torgelegenheiten. Erneut Omar Er Rafik nutzte eine von ihnen in der 57. Minute zur Führung. Allein vor Torwart Ruiter überwand er diesen trotz leichter Probleme bei der Ballannahme. Lähmendes Entsetzen herrschte unter den Utrechter Fans, die letztendlich froh gewesen sein dürften, dass Differdingen keine der weiteren Chancen nutzte und man mit einem blauen Auge und einer halbwegs guten Ausgangsposition ins Heimspiel nächste Woche gehen kann.
Spieler des Spiels – Omar Er Rafik
Nach einem Zusammenprall beackerte Omar Er Rafik mit einem leuchtenden Gesichtspflaster das Spielfeld und entwickelte sich nicht nur durch seine zwei Tore zum Matchwinner. Er Rafik verkörperte perfekt den modernen Stürmer, kämpfte, holte sich die Bälle im Mittelfeld und auf den Flügeln und strahlte permanente Torgefahr aus. Die hochrangige und erfahrene Defensive des FC Utrecht bekam ihn zu keinem Zeitpunkt in den Griff und er entwickelte sich vor allem in der zweiten Hälfte zum besten Mann auf dem Platz!
Die Fans
Die pure Masse an mitgereisten Fans aus den Niederlanden war eindrucksvoll, die schwache Leistung ihres Teams brachte die Menge aber schnell zum Schweigen. Außer gelegentlichen Schlachtrufen und vereinzelten Gesängen sowie der öffentlichen Wertschätzung der weiblichen Jugend Luxemburgs war erstaunlich wenig von der Gegengerade zu hören. Die Fans auf der Haupttribüne waren durch die Bank freundlich und es ergab sich das ein oder andere interessante Gespräch über die Utrechter Europapokalhistorie, die Rivalität zu Ajax Amsterdam oder die mangelnde Qualität des eigenen Teams. Auch der Tabak auf der Tribüne roch diesmal irgendwie anders. Als gute Verlierer präsentierte man sich nach dem Spiel, als die Ehrenrunde der Differdinger Spieler auch vom Fanblock der Gäste mit Applaus bedacht wurde. So muss das sein!
Fazit
Es war mal wieder ein herrlicher Fußballabend im Stade Josy Barthel. Ich weiß auch nicht warum, aber bislang hat keiner der Favoriten es in diesen Spielen jemals geschafft, seine Qualitäten auch nur halbwegs abzurufen. So auch der FC Utrecht, der vor allem in der zweiten Hälfte eine unfassbar schlechte Vorstellung gab. Zum Großteil mag das daran liegen, dass der Gegner aus dem Fußballzwergenland schlicht und ergreifend unterschätzt wird, zum anderen aber sicher auch daran, dass die luxemburgischen Mannschaften an den Europapokalabenden regelmäßig über sich hinauswachsen und sich mit dem Messer zwischen den Zähnen endlich einmal einem größeren Publikum präsentieren können. Man kann dann gar nicht anders, als sich auf die Seite des Außenseiters zu schlagen, der auch gestern wieder das bessere Ende für sich behielt. Dennoch steht zu befürchten, dass die europäische Reise des FC Differdingen bereits in der nächsten Woche beendet ist, wobei ein Unentschieden in Utrecht natürlich reichen würde…
Auch für die anderen Vertreter aus Luxemburg sieht es nicht so gut aus. In der Champions League schlug sich Fola Esch gegen den Spitzenclub Dinamo Zagreb 60 Minuten achtbar aus der Affäre, um dann aber einzubrechen und sich am Ende mit 0:5 geschlagen geben zu müssen. In der Europaleague war der FC Düdelingen, im letzten Jahr noch Sensationssieger über Red Bull Salzburg, bereits in der ersten Runde gegen Milsani Orhei aus Mazedonien ausgeschieden. Jeunesse Esch ist dagegen noch im Wettbewerb. In der ersten Runde hatte man sich gegen Turku PS aus Finnland durchgesetzt, nun setzte es eine 0:1-Auswärtsschlappe gegen den FK Ventspils aus Lettland. Das kann im Heimspiel natürlich noch gedreht werden!