Nach der enttäuschenden und sportlich unbedeutenden Saison 2011/12 (hier zum Rückblick) waren die Augen wachsam auf die Entwicklungen bei der TuS Koblenz im Spieljahr 2012/13 gerichtet. Niemand wollte noch einmal ein Jahr am Tabellenende einer Regionalliga erleben, in der es diesmal mit bis zu sechs möglichen Absteigern ja auch durchaus etwas zu verlieren gab. Trainer Michael Dämgen schaffte es nicht, das zerrissene Tischtuch zu den Fans zu kitten und die Mannschaft sichtbar voranzubringen. Seine Ablösung war die logische Folge und unter Peter Neustädter machte die TuS einen deutlichen Schritt nach vorne. Mit dem peinlichen Ausscheiden gegen den TuS Oberwinter war zu diesem Zeitpunkt aber bereits wertvolles Porzellan zerschlagen worden. Am Ende wurden die sportlichen Ziele mit einem für mich unerwarteten einstelligen Tabellenplatz erreicht, dennoch bleibt der Weg der TuS vor allem wegen der immer noch vorhandenen finanziellen Schieflage mit vielen Fragezeichen behaftet.
Wieder mal ein Neuanfang
Man kann Michael Dämgen vieles vorwerfen, aber er hat die TuS Koblenz zu Beginn der Saison 2011/12 übernommen, ohne über eine Mannschaft oder eine wirkliche Perspektive zu verfügen. Dafür gebührt ihm aller Respekt und die desaströse Saison ist somit zumindest teilweise zu entschuldigen. Zur neuen Saison waren die Voraussetzungen etwas besser, Dämgen konnte aus einem Stamm von etablierten Spielern wählen und die Mannschaft gezielt verstärken, um von Beginn an die Abstiegsängste gar nicht erst aufkommen zu lassen. Denn eins war klar: Noch so eine Saison im Tabellenkeller würde selbst die hartgesottensten Fans aus dem Oberwerth vertreiben. Entsprechend wurde investiert und mit einem kalkulierten Schnitt von 1.800 Zuschauer ein ambitioniertes Ziel ausgegeben.
Alle Zu- und Abgänge können hier gar nicht angeführt werden, denn es fand ein massiver Umbruch statt, der durchaus Hoffnung auf eine sportlich befriedigendere Saison machte. Mit Anel Dzaka und Dieter Paucken wurden gestandene Ex-Schängel zurückgeholt, mit Jerome Assauer sollte mal wieder ein echter Torjäger das Oberwerth unsicher machen und mit Kevin Lahn wurde eines der größten Talente des regionalen Fußballs zu den Schängeln gelockt. Vor allem Assauer und Lahn sollten zu den Spielern der Saison werden und beide konnten über die Saison hinweg bei der TuS gehalten werden, wenn in der Sommerpause nicht doch noch ein höherklassiger Verein ernsthaftes Interesse bekunden sollte. (Update: Assauer wechselt trotz aller Treueschwüre zu Darmstadt 98).
Die Saison 2012/13 begann mit einen wahren Topspiel, denn es ging zu Waldhof Mannheim. Hier trafen zwei echte Traditionsvereine aufeinander und trotz einer am Ende klaren 0:3-Niederlage war das Geschehen auf dem Platz beiweitem nicht so eindeutig. Die TuS dominierte den Favoriten zeitweise klar, belohnte sich aber leider nicht. Aber es gab auch wieder die echte TuS zu bestaunen, denn die Schienbeinschoner wurden in Koblenz vergessen und mussten kurzfristig neu gekauft werden. Natürlich wurden elf und nicht 14 Paar gekauft, sodass diese bei jedem Wechsel erst getauscht werden mussten. Konnte ja keiner ahnen. Für so Chaosaktionen liebe ich diesen Verein! Eine spielerische Verbesserung zeigten auch die folgenden beiden Heimspiele. Gegen Eschborn tat man sich zwar etwas schwer, gewann aber mit 2:1. Und gegen den Aufstiegsfavoriten aus Kassel erkämpfte man immerhin ein verdientes 0:0.Dann folgte jedoch der erste große Rückschlag. Beim späteren Aufsteiger Elversberg setzte es nach katastrophaler Leistung eine 1:4-Niederlage. Noch bevor man die erste Lyoner verspeist hatte, stand es bereits 3:0 für die Gastgeber, am liebsten wäre ich nach 12 Minuten schon wieder heimgefahren. Ohne Stahl und Dzaka ließ die Mannschaft jede Ordnung vermissen und bot eine grausame Vorstellung, die Trainer Dämgen nun ernsthaft in Bedrängnis brachte.
Die Quittung kam prompt, denn beim folgenden Heimspiel gegen Alzenau pilgerten 500 Zuschauer weniger ins Stadion als noch bei den ersten beiden Heimauftritten. Ein Punkt beim 1:1 war sicher zu wenig, um die verlorenen Zuschauer zurückzuerobern, doch Dämgen bekam noch eine Gnadenfrist. Und diese Chance nutzte er zunächst, denn beim 4:0 gegen die Reserve des FCK auf dem Betzenberg feierte die Mannschaft durch drei Assauer-Tore ihren höchsten Saisonsieg. Im folgenden Heimspiel gegen den Sonnenhof Großaspach schaffte es die TuS zwar einen Rückstand aufzuholen, doch spielerisch war es wieder Magerkost, auch wenn das die Vereinsverantwortlichen anders sahen und sich zum wiederholten Male in den Medien unglücklich in Richtung Fans äußerten. Den erneuten Tiefpunkt setzte es dann in Ulm und nach einem desolaten 0:3 war Trainer Dämgen nicht zu halten und wurde beurlaubt. Auch wenn ich Michael Dämgen als wirklich netten Kerl kennengelernt habe, war diese Entscheidung mehr als überfällig und die Trennung hätte eigentlich schon am Ende der Vorsaison vollzogen werden müssen. Gerade im Offensivspiel war trotz eines deutlich besseren Personals keine Besserung zu erkennen, mit dieser Spielweise war der angestrebte Zuschauerschnitt auf Dauer nicht zu halten und der Tabellenkeller näherte sich langsam immer bedrohlicher. Das hatten nun wohl auch die Verantwortlichen erkannt.
Pokalblamage und Aufschwung mit Neustädter
Doch der Zeitpunkt der Entlassung war denkbar ungünstig gewählt. Einen Tag später musste man nämlich im Rheinlandpokal beim Bezirksligisten TuS Oberwinter antreten und schied sang- und klanglos mit 0:2 aus dem Wettbewerb aus. Dies war vielleicht der Tiefpunkt seit dem freiwilligen Rückzug aus Liga 3 und dem angestrebten Neuanfang. Hier musste nun auch der Charakter der Spieler hinterfragt werden. Unter Interimstrainer Evangelos Nessos holte man immerhin noch einen Punkt gegen Hoffenheim II, doch schnell konnte mit Peter Neustädter ein neuer Übungsleiter präsentiert werden. Und das ausgerechnet vor dem für alle Fans enorm wichtigen Spiel in Trier. Eine Klatsche hätte den Start des neuen Trainers wohl deutlich erschwert. Doch es kam anders und ein Traumtor von Michael Stahl sorgte für einen unerwarteten 1:0-Erfolg in der Moselstadt. Nach dem Spiel begrüßte Neustädter am Zaun die mitgereisten Fans, eine Nähe, die unter Dämgen undenkbar gewesen wäre und das Verhältnis zwischen Fans und Trainer von Beginn an deutlich entspannte.
Das Spiel gegen Trier im 5vier-Video
Und es ging wirklich aufwärts. Ich will hier gar nicht auf jedes Spiel eingehen, doch ein paar Highlights und Rückschläge seien genannt. Die Euphorie war groß, als man nach dem Sieg in Trier auch in Freiburg gewinnen konnte. Die Tabelle sah gut aus und einige sprachen bereits vom Aufstieg. Gegen den Tabellenletzten Pfullendorf verlor Neustädter aber gleich einmal mit 0:1 und es zeigte sich erneut, dass die TuS gegen potentiell schwächere Gegner einfach kein Spiel dominieren kann. Und so ging es dann die gesamte Saison über weiter. Großartigen Auftritten wie beim 3:1-Sieg in Kassel vor eindrucksvollen 6.000 Zuschauern folgten unnötige Niederlagen und Punktverluste wie das 2:2 in Idar-Oberstein, als man völlig ohne Not eine beruhigende 2:0-Führung aus der Hand gab. Die verrückte Liga, in der jede Mannschaft gegen jede andere gewinnen konnte, sorgte aber dafür, dass die TuS unerwarteterweise bis lange in die Rückrunde hinein durchaus rechnerische Chancen auf einen der beiden Relegationsplätze hatte. Manch einer sprach offen vom Aufstieg, wobei meines Erachtens weder die spielerische Klasse noch die finanziellen Rahmenbedingungen Anlass für eine auch nur kleine Hoffnung gegeben hatten. Spätestens nachdem bekannt wurde, dass die TuS Koblenz die Lizenz für Liga 3 gar nicht erst beantragt hatte, war dann klar, dass diese Hoffnungen sich nicht erfüllen würden und vielerorts machte sich Enttäuschung breit. Dies ganz sicher auch bei den Spielern, deren Leistungen in der letzten Saisonphase teilweise stark nachließen. Auch spielerisch machte man einen kleinen Rückschritt. Nach der Winterpause zeigte sich die TuS sehr geschlossen. Aus einer stabilen Abwehr wurde sehenswerter Konterfußball geboten und es war für jeden Gegner schwer, zu Torchancen zu kommen. Am Ende der Saison dominierte dagegen wieder ein einfallsloser Kick and Rush-Stil und auch die Defensive zeigte sich anfälliger.
Doch es kam zu einem versöhnlichen Saisonabschluss, als am letzten Spieltag ein hilfloser Absteiger aus Idar-Oberstein mit 5:2 aus dem Oberwerth geschossen wurde und bei der fröhlichen Feier im TuS-Dorf konnte nicht nur der Sieg, sondern auch die Torjägerkanone von Jerome Assauer gefeiert werden, der mit 20 Treffern die Topstürmer der anderen Vereine hinter sich lassen konnte. Wann hatte die TuS zuletzt einen Torschützenkönig? Auch das Saisonziel ‚einstelliger Tabellenplatz‘ konnte erreicht werden, am Ende stand Platz acht mit guten 52 Punkten. Auch der kalkulierte Zuschauerschnitt wurde erreicht. 1.961 Fans pilgerten im Schnitt ins Stadion, damit belegen wir hinter Kassel und Mannheim immerhin Platz drei in der Zuschauertabelle und haben pro Spiel z.B. 500 Zuschauer mehr als die mit ähnlichen Voraussetzungen gesegnete Trierer Eintracht. Eine Zahl, die einen trotz oder wegen aller Widrigkeiten im Stadionumfeld durchaus stolz machen kann. Dennoch muss festgehalten werden, dass die Stimmung nach dem durch zahlreiche Stadionverbote begründeten Ende des aktiven Supports durch das IK quasi nicht mehr vorhanden ist. Zwar gab es vereinzelte Versuche, das Stadion wieder etwas zu beleben, aber man muss festhalten, dass es ohne den Einsatz der „Ultras“ manchmal erschreckend leise war. Da muss sich dann jeder an die eigene Nase fassen, aber vielleicht gibt es ja zur neuen Saison Entwicklungen, die dies wieder etwas ins Positive rücken. Dröhnend laute „Musik“ vor, zwischen und nach dem Spiel ersetzt Support zumindest nicht, nur mal so als Info.
Was bringt die Saison 2013/14?
Die Pressekonferenz zur wirtschaftlichen Situation der TuS brachte vor einigen Wochen wie gewohnt Unruhe in den Verein. Es wurde deutlich, dass die Regionalliga zur finanziellen Gesundung eines Vereins denkbar ungeeignet ist. Durch Forderungen aus Drittligazeiten wuchsen die Verbindlichkeiten der TuS sogar weiter an und der Blick auf die zahlreichen Insolvenzen von Traditionsvereinen macht deutlich, wie schwierig es für die Verantwortlichen aller Vereine ist, den Spagat zwischen Finanzen und sportlichem Erfolg zu schaffen. Die Hürden für den Aufstieg in den besser bezahlten Fußball werden von DFB und DFL immer höher gelegt, eine geschlossene Gesellschaft mit minimaler Durchlässigkeit ist die Folge. Dass wir uns da irgendwann einmal wieder einreihen können, halte ich vorerst für weitestgehend ausgeschlossen. Also müssen wir lernen, mit der Regionalliga als natürlichem Lebensraum der neuen TuS zu leben und es warten durchaus attraktive Gegner, die spannende Spiele versprechen. Hessen Kassel, Waldhof Mannheim, Eintracht Trier und nun noch die Offenbacher Kickers sind Gegner, bei denen es mich immer noch stolz macht, dass wir diesen auf Augenhöhe begegnen können. Immerhin waren für mich während meiner TuS-Sozialisation die Duelle gegen Prüm, Mayen oder Eisbachtal das Maß aller Dinge.
Das Gesicht der Mannschaft wird sich sicherlich weiter verändern. Immerhin konnten mit Kevin Lahn und Jerome Assauer zwei wichtige Spieler gehalten werden, wenn nicht doch noch ein Profiverein das Netz enger zurrt. Ich hoffe sehr, dass auch Michael Stahl wieder voll angreifen kann, der ja fast die gesamte Saison ausgefallen war. Überzeugt hat mich auch Anel Dzaka, dem ich sehr skeptisch gegenüberstand, als er zurück zur TuS kam. Enrico Köppen gehört für mich zu den Hoffnungsträgern in der neuen Saison, er könnte unserem Sturm neben Assauer zu noch größerer Durchschlagskraft verhelfen. Dass er es auch auf diesem Niveau drauf hat, stellte Köppen mit zwei Treffern in der Endphase der Saison unter Beweis und mit vier Buden im Rheinlandpokalfinale der A-Jugend in Trier schoss er die TuS sogar zum Titel! Neustädter wird ihn sicher behutsam aufbauen, aber auch Nachwuchskräfte wie der bärenstarke Eldin Hadzic haben bewiesen, dass sie unter seiner Führung zu wichtigen Stützen der TuS werden können. Solche Jungs sind die Zukunft der TuS und ich freue mich sehr, ihren Weg im blau-schwarzen Trikot weiterzuverfolgen! Somit kann ich es kaum erwarten, nach der kurzen Sommerpause Ende Juli wieder ins Stadion zu pilgern, um die TuS siegen zu sehen, um alte und neue Freunde zu treffen und mit diesen die neuen und alten Gegner in der Regionalliga Südwest zu besuchen. In Zweibrücken, Neckarelz und Baunatal war ich zumindest noch nie! In diesem Sinne: Forza TuS!