
Die großspurige Werbung, laut ‚Four Four Two‘ handele es sich um das beste Fußballbuch aller Zeiten und eine hymnische Amazon-Rezension von Sascha „Torwort“ Theisen ließen mich dann doch mal zu diesem Buch greifen. Kurz gesagt: Bereut habe ich es nicht, aber ob es wirklich das beste aller Zeiten ist, wage ich doch mal stark zu bezweifeln.
Football against the enemy erschien in England bereits 1994 und es dauerte 15 lange Jahre, bis eine deutsche Übersetzung vorlag. Kuper reiht unter einer losen Klammer eine Reihe von Fußballreiseberichten aneinander, die ihn von Holland über Berlin nach Russland und die Ukraine, nach Südamerika (Argentinien und sehr knapp Brasilien), Afrika, die USA, den nahen Osten (sicher der schwächste Teil des Buches), Mitteleuropa und wieder zurück nach Holland führen. Die Holländische Klammer wird bereits durch den Titel angedeutet. Kuper, südafrikanischer Herkunft und in Uganda aufgewachsen, verbrachte Kindheit und Jugend in den Niederlanden und entwickelte eine leidenschaftliche Antipathie gegen Deutschland, was den ersten Teil seines Buches für Deutsche nur schwer erträglich macht. Dort heißt es u.a. bzgl. des Aufeinandertreffens 1988:
Holland gegen Deutschland, gut gegen böse. […] Die Deutschen trugen schwarz und weiß. Wir hatten eine Reihe von farbigen Spielern, einschließlich unseres Kapitäns, und unsere Fans trugen Gullit-Mützen mit Rasta-Zöpfen. Ihre Spieler waren ausschließlich Weiße, und ihre Fans gaben Affenlaute von sich. Unsere Spieler waren witzig und natürlich. 1000 Jahre deutscher Humor ist das kürzeste Buch der Welt, und Rudi Völler trug diese lächerliche Dauerwelle. Die Deutschen hätte man ohne die Nummern auf ihrem Rücken kaum auseinanderhalten können. Sie waren Schwalbenkönige.“
Auch ein Berlinaufenthalt unmittelbar nach der Wende ändert offenbar nicht viel an den Vorbehalten Kupers. Am Ende des Buches soll sich, so der Pseudospannungsbogen des Buches, diese Auffassung relativiert haben. Kuper spricht mit einigen der alten „Feinde“ und stellt z.B. bezüglich Jürgen Kohler überrascht fest: „Ich erkannte, dass Kohler sich nicht als Mitglied der Mächte des Bösen im Kampf gegen die Mächte des Guten begriffen hatte. Er schien wirklich kein schlechter Kerl zu sein.“ Eine sensationelle Erkenntnis, die man als Ironie verstehen könnte, was bei Kuper allerdings nur schwer zu vermuten ist…
Die Reiseberichte wirken trotz dieser erzählerischen Klammer unzusammenhängend und sind von sehr unterschiedlicher Qualität, was wenig überrascht wenn man sich vor Augen führt, dass der Autor während seiner Reise erst 22 Jahre alt war und sich im Nachwort selbst wundert, dass so viele Menschen ihm bereitwillig Rede und Antwort standen. Dabei sind neben Fußballern und Funktionären auch so illustre Personen wie der Celticfan aus Nordirland, der bereits vor dem Old-Firm verhaftet wird, weil er sich angeregt mit einem Polizeipferd unterhält. Sein Anspruch, die enge Verbindung von Fußball, Gesellschaft und Politik als nationenübergreifendes Phänomen darzustellen, wird nur selten erfüllt. Gut gelungen ist das Kapitel zu den Ereignissen rund um die Skandal-WM 1978 in Argentinien, auch die russischen Verhältnisse werden gut, wenn auch etwas langatmig geschildert.
So bleibt insgesamt ein etwas zwiespältiger Eindruck. Insgesamt ein gut lesbares und interessantes Buch, mit netten Anekdoten und wohldosierter Information. Offensichtlich will das Buch jedoch mehr sein als ein Kuriositätenkabinett, daran scheitert es meines Erachtens. Der große internationale Erfolg gibt Kuper jedoch recht.
Simon Kuper
Football against the enemy
Oder: Wie ich lernte, Deutschland zu lieben
384 Seiten 13,5 x 21,5 cm Paperback
ISBN: 978-3-89533-643-0
Verlag die Werkstatt
1. Auflage 2009