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Ein zufällig in Schröders Kartoffelhaus herumliegendes Stadtmagazin gab mir den entscheidenden Hinweis, den mir das allwissend scheinende Internet bis zu diesem Moment erfolgreich vorenthalten hatte: Harry Rowohlt liest in seiner Heimatstadt! Über das Programm war nichts näheres in Erfahrung zu bringen, aber möglicherweise war es dem Vorleser zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht vollkommen klar, was genau er an besagtem Abend zum Besten geben würde.
 
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Das recht kleine aber schmucke Theater war wie zu erwarten voll besetzt und Harry selbst plauschte bei einer Zigarette bereits vor dem Beginn der Veranstaltung angeregt mit den Gästen, die hierzu auch alle Zeit der Welt hatten, da sie in bester Mallorca-Manier blitzartig die Plätze mit Badetüchern, ähh, Jacken und Rucksäcken markiert hatten.Das Programm selbst lässt sich kurz zusammenfassen. Es begann mit Anfang und Schluss der gerade im Erscheinen begriffenen Übersetzung von Andy Stantons ,You‘re a Bad Man, Mr. Gum!‘. Darauf folgten einige der Pooh’s Corner Kolumnen und am Ende ein paar Gedichte im englischen Original samt der Rowohltschen Nachdichtung. Was nahtlos aneinandergereiht vielleicht eine gute halbe Stunde Programm ergeben hätte, wurde von Rowohlt bekannt kunstvoll abschweifend auf zweieinhalb Stunden gedehnt, ohne dabei auch nur eine Sekunde Langeweile zu produzieren. Sehr schön die Anekdoten zu seinem alten Deutschlehrer, der ihm in Ermangelung eines christlichen Interpretationsansatzes der zu besprechenden Werke außerordentlich schlechte Bewertungen gab, was für den kleinen Harry natürlich eine Katastrophe darstellte. Aberwitzig wird die Geschichte aber erst in dem Moment, als endlich die Stunde der Rache gekommen war und Heinrich Böll auf dem Lehrplan stand, mit dem Harry das zu besprechende Werk zuvor ausführlich im persönlichen Gespräch durchgegangen war und er dies nach der üblichen Bewertung in der Stunde des Triumphs dem Lehrer vorhalten konnte.Sehr schön auch die Anekdoten zum Empfang auf Schloss Bellevue, während eines Staatsbesuchs der irischen Präsidentin, wobei gewisse Vorbehalte gegenüber Horst Köhler nicht ausgespart wurden. Seinem Amt als Ambassador of Irish Whiskey kann Harry leider nicht mehr in vollem Umfang gerecht werden. Bereits irritiert durch die Flasche Wasser auf dem Lesepult erwartete ich die überfällige Flasche Paddy. Eine unaussprechliche Erkrankung hindert Harry jedoch am Genuss, lediglich vier amtliche Besäufnisse pro Jahr hat der Arzt ihm genehmigt.

Am Ende des Abends ließ es sich Harry Rowohlt nicht nehmen, dem Ort der Lesung angemessen, noch ein kommunistisches Kampflied anzustimmen, danach war aber endgültig Schluss. Was für ein schöner Abend, der endlich mal wieder richtig Lust auf die ironischen Feinheiten und die pure Eleganz des geschliffenen Wortes gemacht hat. Harry sei Dank!!!

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