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Zwei Tage nach dem ernüchternden Erlebnis am Millerntor begab ich mich zur altehrwürdigen Spielstätte eines der großen Traditionsvereine Hamburgs, nämlich Altona 93, die mittlerweile in der Oberliga spielen. Die Adolf Jäger Kampfbahn (genau so müssen teutonische Tretertempel heißen!) hat sicherlich ihre besten Tage lange hinter sich, atmet jedoch den Geist des ursprünglichen und ehrlichen Fußballs. Insgesamt 401 Zuschauer wollten bei bestem Fußballwetter das Spiel gegen den Oststeinbeker SV sehen und die Zusammensetzung des Publikums war wirklich bemerkenswert. Ich hatte es mir im schattigen Bereich neben der Haupttribüne gemütlich gemacht, vor allem natürlich aufgrund der logistisch idealen Lage neben Bierstand und Würstchenbude. Außer mir hatten dort ältere und stimmgewaltige Kuttenträger ihre Zelte aufgeschlagen und ihre Aufnäher wiesen diesen Bereich als offizielle Meckerecke aus. Hinter dem Tor auf einer größeren Wiese tummelten sich zahlreiche Punks (samt den obligatorischen Hunden) sowie alteingesessene Paulifans, denen die Kommerzialisierung unter dem Banner des Totenkopfs zu weit gegangen war und die zu Altona abgewandert waren. Auf der Gegengerade dann eine zahlenmäßig recht große und stimmstarke, aber nicht einer irgendwie gearteten Gruppierung zuzuordnende Gruppe. Somit konnte zumindest mehrfach ein über alle drei Bereiche wogender Wechselgesang angestimmt werden.

Das Spiel selbst begann schleppend, aber bereits nach gut zehn Minuten versenkten die Oststeinbeker den Ball mit der ersten Torchance in den Maschen. Danach stellten sie jedoch das Fußballspielen vollständig ein und Altona hatte eine hochkarätige Torchance nach der anderen. Dreimal hielt der Oststeinbeker Torwart hervorragend, alle anderen Chancen wurden von den Stürmern aus Altona jedoch kläglich vermasselt. So musste eine Standardsituation kurz vor der Pause den Ausgleich besorgen, als der riesige Abwehrchef Altonas eine Ecke einnicken konnte. Als Abwehrchef war er dennoch nicht die glücklichste Entscheidung, was die zweite Hälfte eindrucksvoll belegen sollte. Oststeinbek kam wie verwandelt aus der Kabine und drängte Altona zunehmend in die eigene Hälfte. Wiederum nach knapp zehn Minuten war es dann aber soweit und sie erzielten die erneute Führung. Diesmal machten sie aber nicht den Fehler der ersten Halbzeit, sondern sie spielten diesmal weiter fleissig nach vorne. Chance über Chance wurde nun aber von ihnen ebenso kläglich abgeschlossen, die Abwehr, mit äußerst fragwürdigem Stellungsspiel gesegnet, stolperte fast peinlich von einer Verlegenheit in die nächste. Zwar kam vor allem gegen Ende des Spiels auch Altona wieder zu Chancen, aber das Ergebnis, naja, siehe Halbzeit Eins. So blieb es am Ende dann beim glücklichen, aber nicht unverdienten Sieg der Oststeinbeker.
An so einem schönen Tag macht Amateurfußball richtig Spaß. Eine völlig entspannte Atmosphäre, nette Leute, gute Wurst und leckeres Bier, so muss das sein. Was mir etwas gefehlt hat waren die Emotionen. Womöglich haben die Fans die Saison bereits abgehakt, aber weder Tor noch Gegentore noch offensichtlich falsche Schiedsrichterentscheidungen führten zu irgendwelchen größeren Ausbrüchen. Lediglich am Ende wurden sowohl die eigenen Spieler wie auch die wenigen mitgereisten Oststeinbeker mit ein paar lauteren Schmährufen bedacht. Außerdem würde ich dem ortsansässigen Stadionsprecher, ohne die 17 Kollegen in der Liga gehört zu haben, auf der Stelle den Preis für die größte Schnarchnase am Mikrofon zugestehen.
Nachmittage wie dieser versöhnen mich etwas mit der Horrorvorstellung, auch mit der TuS demnächst wieder in unteren Ligen und auf Dorfplätzen unterwegs zu sein. Ohne den ganzen Eventcharakter des Spiels, die ganzen Zugangsregularien und die zum Teil überteuerten Eintritts- und Verpflegungspreise, macht es trotzdem Spaß und ist sogar noch deutlich authentischer.

Hier gibts ein paar Bilder:

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